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Leichter Aufwind für Sachsens Windkraft
CDU und Grüne einig über Details der 1000-Meter-Abstandsregelung / Zuletzt überwog Rückbau von Anlagen
Der »Häuserkampf« in Sachsen hat ein Ende. Monatelang war in der Koalition erbittert gestritten worden, wie die Abstandsregelung für Windräder im Detail ausgestaltet wird. Im Regierungsprogramm von 2019 hatten sich CDU, Grüne und SPD auf einen Mindestabstand von 1000 Metern »zur Wohnbebauung« geeinigt. Die Frage, was genau darunter zu verstehen ist, war zwischen dem CDU-Minister für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt, und seinem grünen Ressortkollegen für Umwelt, Wolfram Günther, lange umstritten. Jetzt ist klar: Die Regel greift da, wo mindestens fünf Wohnhäuser stehen. So steht es im Entwurf der neuen Bauordnung, den der Landtag noch beschließen muss. Der Abstand gelte, sagt Felix Ekardt, Landeschef des Umweltverbandes BUND, damit nicht für »jede halbjährlich bewohnte Gartenlaube«.
Ein solches Szenario war zwar etwas zugespitzt. Dennoch hatten Verbände befürchtet, dass über die Abstandsklausel der Ausbau der Windkraft im Freistaat auf Dauer abgewürgt wird. Die CDU hatte den Ein-Kilometer-Radius schon um Häuser mit nur drei Wohnungen ziehen wollen. In einem dicht besiedelten Land wie Sachsen hätte es damit kaum noch Flächen gegeben, wo Windräder errichtet werden können. Nun aber ergäben sich »erste Perspektiven zur Belebung des Ausbaus«, sagt Wolfgang Daniels, Präsident der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien in Sachsen (VEE).
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Das wäre auch dringend nötig, schließlich »stagniert der Ausbau der Windenergienutzung seit Jahren«, wie im November 2021 in einem Brandbrief des VEE konstatiert wurde. Im Jahr 2021 wurde in Sachsen nur ein einziges Windrad neu errichtet; gleichzeitig wurden elf veraltete Anlagen abgebaut. Der Ausbau ist so gering wie in keinem anderen Bundesland. Das steht in eklatantem Gegensatz auch zu Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag. Dort wird allein bis zum Jahr 2024 ein Zubau von vier Terawattstunden Energie aus erneuerbaren Quellen ins Auge gefasst, »von dem der Hauptteil durch Windenergie gewonnen werden soll«. Das würde bedeuten, dass rund 200 Windräder gebaut werden müssten. Um derlei Ziele umzusetzen, ist laut VEE eine Kehrtwende »insbesondere in der Genehmigungspraxis« erforderlich.
Ob es dazu nun kommt, bleibt abzuwarten. Die Grünen sind zuversichtlich. Es gebe »Aufwind für die Energiewende«, sagt Daniel Gerber, Energieexperte der Landtagsfraktion, der nun »Planungssicherheit« sieht. Für diese sorgen auch weitere Einigungen in Detailfragen. So kann nach Angaben von Regionalminister Schmidt der 1000-Meter-Abstand noch unterschritten werden, wenn bestehende Windräder aufgerüstet werden sollen (Repowering) oder wenn eine Kommune das will. In beiden Fällen müssen die Stadt- oder Gemeinderäte das beschließen. So stärke man die Entscheidungsmöglichkeiten vor Ort »und damit die Akzeptanz«, sagte Minister Schmidt. Die CDU hofft, mit der 1000-Meter-Regel den teils starken Widerstand von Anwohnern zu verringern. Allerdings geht der AfD, die sich vielerorts als deren Fürsprecher geriert, die Ein-Kilometer-Regel noch immer nicht weit genug. Sie fordert die zehnfache Höhe eines Windrades als Mindestabstand, so wie das in Bayern gilt.
Die Linke glaubt dagegen nicht, dass der jetzige Kompromiss für neue Dynamik sorgen wird. Ihr Energieexperte Marco Böhme betont, eine Vorgabe von 1000 Metern Abstand sei unabhängig von den Regelungen im Detail »keine Lockerung der bisherigen Regeln, sondern eine zusätzliche Ausbauhürde«. Er verweist auf eine Studie des Umweltbundesamtes. Sie kam 2019 zu dem Schluss, dass ein Mindestabstand von einem Kilometer die für den Neubau von Windrädern zur Verfügung stehenden Flächen »um 20 bis 50 Prozent« reduziere. Zudem wäre damit das Repowering nur bei gut einem Drittel der damals bestehenden Windräder möglich.
Böhme verweist auch auf den Aufwand, den der jetzt gefundene Kompromiss für die zuständigen Regionalen Planungsverbände (RPV) bedeute. Sie müssten nun Wohnhäuser zählen. Das werde die »ohnehin viel zu langen Planungsprozesse« weiter verzögern. Die Chemnitzer »Freie Presse« merkt in dem Zusammenhang an, in Südsachsen habe man einen beschlussreifen Entwurf schon einmal überarbeiten müssen, um 1000 Meter Abstand zu jedem einzelnen Wohnhaus zu gewährleisten. Im Juni 2021 war er fertig. Nun muss er erneut geändert werden. Das bedeutet Verzögerung bis mindestens 2023.
Angesichts dessen appelliert der VEE an die Planungsverbände, sich »bei der Umsetzung zu beeilen«. Immerhin herrsche jetzt Klarheit, und es seien »gewisse Ausnahmen möglich«, sagt Daniels. Generell halte man an der Kritik an einer starren 1000-Meter-Regel fest. Auch der BUND sieht darin weiter einen »erheblichen Verhinderungsfaktor« für die Energiewende. Um das verbindliche 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, reiche die jetzige Regelung nicht aus, sagt Landeschef Ekardt. Es brauche einen weit schnelleren Ausbau der Windenergie. Er setzt nun auf eine Ankündigung der Bundesregierung, die pauschale Abstandsregelung abschaffen zu wollen.
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