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Leben mit der Atomruine in Sichtweite
Ort der verheerenden Nuklearkatastrophe von Fukushima wird offiziell für wieder bewohnbar erklärt
Für Tatsuhiro Yamane dürfte es einer der schönsten Jahresanfänge sein, die er je erlebt hat. Nach Jahren des Dekontaminierens, Konferierens und Überzeugens hat der Lokalpolitiker sein Ziel vor Augen. Endlich wird der 37-Jährige in seine Wahlheimat ziehen können, in der er schon so oft gewesen ist, aber nie wohnen durfte. »Futaba wird wieder bewohnbar!«, heißt es seit Anfang des Monats offiziell.
In Japan ist es eine Sensation mit großer Symbolkraft. Elf Jahre nach der Reaktorkatastrophe im nordostjapanischen Fukushima beginnt ab dem 20. Januar die schrittweise Rücksiedlung an jenen Ort, der auch der Standort des havarierten AKW Fukushima Daiichi gewesen ist. Am 11. März 2011 hatte zuerst ein Erdbeben der Stärke 9,0 die Küstenregion erschüttert und dann ein Tsunami ganze Orte überschwemmt. Bei der Katastrophe starben um die 20 000 Menschen, rund 470 000 Menschen verloren ihr Zuhause. Bis heute gelten 39 000 offiziell als evakuiert.
Im an der Küste gelegenen Atomkraftwerk war es zu Kernschmelzen in mehreren Reaktoren gekommen. Zu den Orten, die als erste geräumt wurden, gehörten jene in unmittelbarer Nähe zur Kraftwerksruine. In Futaba wurde kurz nach dem Gau zwei Kilometer vom AKW-Gelände entfernt eine Strahlungsstärke von knapp 25 Mikrosievert pro Stunde gemessen, also in etwa das Hundertfache dessen, was laut Reglement den Ort gerade noch bewohnbar gemacht hätte. Je weiter man sich vom Kraftwerk entfernte und ortseinwärts bewegte, desto geringer wurden die gemessenen Werte.
Keine Stadt wurde so hart getroffen wie Futaba, wo die Bevölkerung über Nacht von 7000 Menschen auf null fiel. Wie für diverse weitere Orte im 30-Kilometer-Umkreis setzte sich der Begriff Geisterstadt in den Köpfen der Bürger des ostasiatischen Landes fest. Ein Besuch im verlassenen Ort vor einigen Monaten offenbart dies auf den ersten Blick. »Da rechts war ein Lebensmittelgeschäft«, sagt Tatsuhiro Yamane im Vorbeifahren, als er ein eingestürztes Gebäude mit streunenden Hunden davor passiert. »Wir werden noch nicht jetzt sofort umziehen«, sagt Tatsuhiro Yamane. »Weil wir noch kein Haus haben, das wir sofort bewohnen könnten.« Sobald dies der Fall sei, werde er aber nach Futaba ziehen.
Tatsuhiro Yamane ist ein ungewöhnlicher Bürger dieses noch nicht wieder bewohnten Ortes. Nach der Katastrophe kam der Tokioter als Aufbauhelfer her, sollte die Geschichten der Evakuierten dokumentieren. »Die Erinnerungen beeindruckten mich so sehr, dass mir der Ort ans Herz wuchs.« Yamane ließ sich zum Gemeinderatsmitglied wählen und lernte seine heutige Frau kennen, die aus Futaba stammt. Deren einstiges Haus ist heute eine Ruine. Das Paar mit zwei Kindern, das wie viele theoretische Einwohner von Futaba derzeit in der eine Autostunde südlich gelegenen Großstadt Iwaki wohnt, will schnellstmöglich hier ein neues Haus bauen.
Wenn Futaba ab Donnerstag wieder bewohnt werden kann, gilt dies noch nicht ohne Einschränkungen. Übernachtungen werden erlaubt sein, ein Aufenthalt für 24 Stunden aber noch nicht. Trotz der Dekontaminierungsarbeiten können immer wieder lokale Strahlenhotspots beobachtet werden. An den meisten Stellen im Ortsinneren liegen die Werte aber um 0,23 Mikrosievert pro Stunde. Ab Juni sollen die bestehenden Aufenthaltsbeschränkungen fallen.
Allerdings sorgt die Kraftwerksruine, die zur Katastropheneindämmung noch immer mit Kühlwasser versorgt werden muss und vom Ortsinneren je nach Standort hinter einer Reihe von Bäumen auch sichtbar ist, weiterhin für Unbehagen. Kritiker sowohl der nationalen Regierung als auch jener von Fukushima, halten die Rückkehr für verfrüht. Eine Umfrage unter den Evakuierten hat ergeben, dass nur zehn Prozent zurückziehen wollen.
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Kurz vor Beginn der Pandemie begann der Lokalpolitiker Tatsuhiro Yamane auch mit dem Plan, die Wirtschaft des Orts wieder zum Leben zu erwecken. Er hat eine Firma gegründet, die Touren auf Japanisch und Englisch durch Futaba anbietet. Seit vergangenem Jahr hat auch eine Gruppe von zehn Bauern begonnen, in Futaba wieder versuchsweise Reis zu säen. Im Jahr 2025, so die Hoffnung, will die Stadt wieder essbaren Reis verkaufen.
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