- Berlin
- Betriebsrat und IG Metall
Schöne neue Tesla-Welt
Ende Februar soll in Grünheide in der Autofabrik ein Betriebsrat gewählt werden - IG Metall sieht ein Manöver des Konzerns
Auch wenn bislang häufig Zweifel zu hören waren: In nur vier Wochen soll von der bisherigen Belegschaft der Gigafactory in Grünheide ein Betriebsrat gewählt werden. »Wir kennen den Wahlaushang, der die Wahl für den 28. Februar ankündigt«, erklärt Birgit Dietze, Bezirksleiterin der Gewerkschaft IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, bei einem Pressegespräch am Donnerstag. Der genaue Zeitpunkt, der letzte Tag des kommenden Monats, überrasche aber. Denn zur Wahl aufstellen lassen können sich nur Beschäftigte, die bereits sechs Monate in einem Unternehmen beschäftigt sind, so sieht es das Betriebsverfassungsgesetz vor. Es sei davon auszugehen, dass bis Ende August des vergangenen Jahres vor allem Posten in den Führungsetagen besetzt worden seien, sowie Ingenieursposten. Dazu kommen Beschäftigte in den ersten Testläufen, erklärt Dietze. »Die Belegschaft wird von oben nach unten eingestellt.«
Dies zugrunde gelegt, kann davon ausgegangen werden, dass auch diejenigen, die sich zur ersten Betriebsratswahl aufstellen lassen werden, eher aus Leitungsebene und mittlerem Management kommen. Denn der Großteil der vom US-amerikanischen Unternehmenschef Elon Musk angekündigten 12 000 Beschäftigten, die in Zukunft in Grünheide 500 000 Autos jährlich vom Band laufen lassen sollen, sind die Fertigungsmitarbeiter*innen, die derzeit noch gar nicht arbeiten, sondern erst sukzessive eingestellt werden. Die Serienproduktion der Elektroautos kann ohnehin noch nicht starten. Das Genehmigungsverfahren läuft noch. Es werden zwar bereits Autos in Grünheide montiert - aber nicht für den Verkauf, sondern lediglich, um die verschiedenen Produktionsanlagen zu testen.
»Die bisherige Belegschaft ist kein reales Abbild, sie repräsentiert nicht die Beschäftigten - zunächst«, sagt dazu Birgit Dietze. Eben das sei aber ein großes Anliegen der Gewerkschaft. Die Belegschaft werde sich erst nach der Wahl noch einmal erheblich verändern. Dann hat man allerdings zunächst auch eine managementnahe Beschäftigtenvertretung. Ein Betriebsrat kann frühestens nach zwei Jahren neu gewählt werden - in dem Fall, dass sich die Belegschaft um die Hälfte verändert hat. Im Fall der Gigafactory ist das durchaus möglich.
Gewerkschaftsangaben zufolge arbeiten derzeit zwischen 2000 und 2300 Menschen auf dem Gelände. Aber augenscheinlich habe man über die Festlegung des Wahltermins den Spielraum, um möglichst vielen Beschäftigten die Teilnahme an der Betriebsratswahl zu ermöglichen, nicht nutzen wollen: »Es wäre ein leichtes gewesen, zum 1. März aufzurufen, und daher alle, die zum 1. September eingestellt wurden, mit zu berücksichtigen«, so die Gewerkschafterin.
Damiano Valgolio, Sprecher für Arbeit und Wirtschaft der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, empfiehlt der Gewerkschaft, ein scharfes Auge auf die Beschäftigtenorganisation in der »Gigafactory« zu haben. »Die IG Metall tut gut daran, die Beschäftigten bei Tesla zu organisieren und die Wahl eines Betriebsrates voranzutreiben«, sagt Valgolio zu »nd«.
Nur betriebliche Mitbestimmung und Tarifverträge sorgten für gute Arbeitsbedingungen und anständige Löhne. »Es ist ein gefährlicher Irrtum, zu glauben, dass in erfolgreichen Unternehmen automatisch gut bezahlt wird«, so der Experte und Arbeitsrechtler weiter. »Gerade in jungen Unternehmen, die an Zukunftstechnologien und Elektromobilität arbeiten, ist der gewerkschaftliche Einfluss wichtig.« Nur wenn Gewerkschaften in diesen Betrieben verankert seien, gelinge »die ökologisch-soziale Transformation«. Sonst werde diese auf Kosten der Beschäftigten und der gesamten Gesellschaft erfolgen.
Laut Birgit Dietze versuche man genau deshalb mit dem neu eröffneten IG Metall-Büro in der Nähe des Werks am Bahnhof Fangschleuse den Beschäftigten zu signalisieren: »Wir stehen bereit, euch zu unterstützen, egal ob es um Vorstellungsgespräche, Arbeitsverträge, die Arbeitsbedingungen oder die Entgelte geht.« Schon nach wenigen Wochen könne man sagen, dass die Eröffnung des Büros die richtige Entscheidung gewesen war. »Wir sind sogar ein bisschen überrascht, wie groß das Interesse an unserem Angebot bei den Tesla-Kolleginnen und Kollegen ist«, berichtet Dietze.
Auf Nachfrage, was man in der Grünheider Fabrik tun werde, um die Mitbestimmungsrechte aller Beschäftigten zukünftig zu gewährleisten, reagierte das Unternehmen zunächst nicht. Diese Erfahrung müssen derzeit viele Medienvertreter*innen machen. »Mauern oder PR-Strategie?« fragte dazu am Mittwoch das NDR-Magazin »Zapp«. Es hatte auf verschiedenen Wegen versucht, mit Tesla in Kontakt zu treten, und immer wieder Anfragen an das Unternehmen gestellt. Die Antwort: Schweigen.
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