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- Corona bei der Handball-EM
Der Zwang des Geldes
Europas Handballverband will die EM der Männer trotz mehr als 60 Coronafällen unbedingt zu Ende bringen
Wenn es noch einer endgültigen Gewissheit bedurfte, lieferte Martin Hausleitner sie am Freitagmittag. Der Generalsekretär der Europäischen Handball-Föderation (EHF) wurde mit der Möglichkeit eines Rückzugs der deutschen Mannschaft von der laufenden Europameisterschaft konfrontiert und machte in aller Deutlichkeit klar, welche Konsequenzen dieses Szenario für den Deutschen Handballbund (DHB) hätte. »Wir haben alle Optionen gemeinsam mit dem DHB durchdacht. Es hätte wirtschaftliche Konsequenzen gegeben, die wir verpflichtet gewesen wären, einzufordern«, erklärte Hausleitner. Der Österreicher sprach diese Worte nicht mit einem drohenden Unterton, sondern bedacht aus, aber mit großer Selbstverständlichkeit. Der Handball in Europa wird auf Plakaten und Interviews als »Familie« tituliert - die Freundschaft findet jedoch ein Ende, wenn es um Millionensummen geht.
Diese Tatsache widerspricht der an anderer Stelle gezeigten Einigkeit nicht grundsätzlich, zeigt aber deutlich, dass die finanziellen Zwänge im europäischen Handball groß sind. Die EM der Männer ist alle zwei Jahre die mit Abstand größte Geldvermehrungsmöglichkeit der Verbände, sodass der zwischenzeitlich kolportierte Rückzug der deutschen Delegation bei näherer Betrachtung ausgeschlossen war. Mark Schober, der Vorstandsvorsitzende des DHB, räumte diesen Umstand nicht direkt ein, ließ die Probleme aber durchblicken. Bei der Entscheidung, das Turnier trotz eines massiven Corona-Ausbruchs fortzusetzen, hätten »auch sportliche, rechtliche und wirtschaftliche Abwägungen eine Rolle gespielt«, sagte er. Die Gesundheitskomponente blieb zunächst unerwähnt.
Die EHF nimmt große Summen mit der Vermarktung der Werbeflächen auf und neben dem Spielfeld ein, zudem hat sie lukrative Verträge mit den TV-Stationen abgeschlossen. Mit weitem Abstand ist der deutsche Markt der größte und deshalb wichtigste. Bei den deutschen EM-Partien schauten bis zu fünf Millionen Menschen zu; bei wichtigen Spielen in der jüngeren Vergangenheit waren es sogar schon mehr als zehn Millionen. Mit solchen Quoten lässt sich viel Geld verdienen. Ein Wegfall von TV-Übertragungen im deutschen Fernsehen hätte der EHF also einen Millionenschaden beschert, den sie durch Regressansprüche vom DHB zurückgefordert hätte. Die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten waren für den deutschen Verband auch deswegen groß, weil zusätzlicher Ärger von den eigenen Sponsoren drohte. Für die Trikotpartner der Mannschaft bietet das Großturnier zu Beginn des Jahres die größte Werbereichweite.
Die wirtschaftlichen Zwänge überlagern die sportlichen Konsequenzen, die einem Nationalverband drohen, wenn er sich vorzeitig zurückzieht, obwohl auch die gewaltig sind. Eine Teilnahme an der WM-Qualifikation - und damit die Chance auf eine Teilnahme am Turnier im nächsten Januar in Polen und Schweden - wäre ausgeschlossen; zudem sehen die Regularien einen automatischen Ausschluss von der nächsten EM vor. Die Besonderheit hier: Jene EM 2024 wird ausgerechnet in Deutschland ausgetragen. Diese Situation ist nur eine Kuriosität der zurückliegenden Tage.
Innerhalb des deutschen Teams hatte es in nur fünf Tagen insgesamt zwölf Spieler erwischt, bis einschließlich Mittwoch wurden jeden Tag neue Fälle bekannt. Die Infizierten wurden isoliert und immer wieder neue Spieler aus der Heimat nachnominiert. Der Ausbruch war nicht mehr kontrollierbar, nachdem das Coronavirus einen Weg in die Gruppe gefunden hatte. Letztlich zeigte die Entwicklung beim DHB unter einem Brennglas, was Wissenschaftler vorhergesagt hatten.
»Omikron hat die Lage komplett verändert«, erklärte auch Hausleitner. Die EHF hat die Hygieneregeln für die EM in Absprache mit den Ausrichternationen Slowakei und Ungarn schon angepasst, ein absoluter Schutz ist aber nicht (mehr) herzustellen. Inzwischen gibt es weit mehr als 60 Coronafälle bei den Teams seit dem EM-Start vor zehn Tagen. Im Vorfeld des Turniers hatte es in den Vorbereitungscamps diverser Mannschaften zusätzliche Fälle gegeben.
»Wir sind mit den Mannschaften und unseren Partnern im Austausch und reagieren von Tag zu Tag«, erklärte Hausleitner. Die EHF ist fest entschlossen, das Turnier bis zum Ende durchzuführen, weil sie angesichts der finanziellen Zwänge keine andere Wahl sieht. Eine Parallele zum Eishockeyverband, der jüngst die kaum beachtete Junioren-WM wegen zu vieler Infektionen abbrach, wird es also nicht geben. Die Verantwortlichen im Handball hoffen stattdessen, dass es keinen weiteren großen Ausbruch wie im deutschen Team gibt. Die nächsten Tage bleiben spannend, nicht nur auf dem Handballfeld.
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