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Gute Sozialisierungs-Kommission
Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen stellt an den rot-grün-roten Giffey-Senat Bedingungen für Mitarbeit bei Expertenrat
»Wir wollen nicht wirklich länger über das Ob der Vergesellschaftung reden, sondern über das Wie«, sagt Constanze Kehler, Sprecherin der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, am Freitag bestimmt. Die sich darum drehenden Fragen soll eine Expertenkommission Vergesellschaftung »unter Beteiligung der Initiative des Volksbegehrens« klären, deren Einsetzung sich im bei einer ersten Senatsklausur am vergangenen Wochenende beschlossenen 100-Tage-Programm unter Punkt 32 findet.
Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen hat nun ihre Bedingungen für die Beteiligung an einer solchen Kommission präzisiert. »Die drei Schlagworte sind Transparenz, eine demokratische Besetzung der Kommission, die auch den Willen der Berlinerinnen und Berliner darstellt; außerdem braucht eine solche Kommission eine klare Umsetzungsperspektive als Voraussetzung«, sagt Sprecher Kalle Kunkel bei der Online-Pressekonferenz am Freitag.
Bereits seit Längerem ist bekannt, dass die Initiative ein Vorschlagsrecht für 59 Prozent der Kommissionsmitglieder fordert, das entspricht dem Anteil der Ja-Stimmen an den gültigen Voten beim siegreichen Volksentscheid vom 26. September, mit dem der Senat dazu aufgefordert wird, »alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind«. Ziel soll die Vergesellschaftung der Bestände aller renditeorientierten privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen mit jeweils über 3000 Wohnungen in der Hauptstadt sein. Die restlichen 41 Prozent der Kommissionsmitglieder soll der Senat ernennen dürfen, allerdings mit Einschränkungen.
»Wir erwarten weiter, dass keine Vertreter*innen der profitorientierten Wohnungswirtschaft vertreten sind«, so Kalle Kunkel. Auch zum Beispiel über Aufträge eng mit ihnen verbundene Personen sollen nicht dem Rat angehören. Damit wäre beispielsweise auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) raus. Denn zu dessen größten Mitgliedern gehört die Deutsche Wohnen sowie deren Mutterkonzern Vonovia, der im vergangenen Jahr den einstigen Konkurrenten übernommen hat. »Entgelt-Vereinbarungen oder Verabredungen zu weiteren Aufträgen für die Vertreter*innen mit Fachexpertise durch die entsendenden Parteien sind unzulässig«, heißt es zusätzlich im Forderungspapier. Ein reiner Expertenrat soll die Kommission nach Vorstellung der Sozialisierungsinitiative allerdings nicht werden. Zur Hälfte soll sie mit »politischen Repräsentant*innen« besetzt werden.
Die nach dem Willen der Vergesellschaftungsinitiative in Zuständigkeit der Verwaltung von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) anzusiedelnde Geschäftsstelle soll paritätisch von Senat und Initiative besetzt sein, es soll auch einen eigenständigen Internetauftritt geben. Dieser ist Teil der geforderten »maximalen Transparenz« der Kommissionsarbeit, wie Constanze Kehler sagt. Die Sitzungen sollen öffentlich sein. Es könne allerdings »eng definierte Ausnahmen geben, wenn über Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gesprochen wird«. Wichtig sei auch, dass externe Gutachten in Auftrag gegeben werden können »ohne Blockade durch politische Präferenzen«, so Kehler. Für die Beauftragung soll, wenn es keine Einigung gibt, ein Beschluss durch ein Drittel der Mitglieder reichen.
Basis für die Kommissionsarbeit soll der bereits von der Initiative vorgelegte Gesetzentwurf für die Sozialisierung sein. Daran könne sich das Gremium »entlanghangeln und Verbesserungsvorschläge machen«, sagt Constanze Kehler.
Diese sehr präzisen und umfangreichen Forderungen, die konkret noch detaillierter sind, kommen nicht von ungefähr, schildert Kalle Kunkel. »Es gibt auch schwierige Erfahrungen mit Expert*innenkommissionen - wie zum Beispiel bei der Reform des alten sozialen Wohnungsbaus in der vorletzten Legislaturperiode«, sagt er. Hunderte Seiten Bericht wurden produziert, zu einer Einigung kam es allerdings nicht. Bis heute können sich Investoren über Extrarenditen durch sogenannte fiktive Kosten freuen - auf Kosten der öffentlichen Hand und der Mieterinnen und Mieter - durch das Recht, teilweise extrem hohe Mieten nach Auslaufen der Sozialbindung verlangen zu dürfen. Nicht viel besser lief es auch in der vergangenen Legislatur beim nächsten Anlauf für die Reform der Sozialmieten im Bestand. Linke und Grüne waren uneins, und die SPD sprengte die Verhandlungen schließlich endgültig. Einer der Beteiligten dieser Kommission von SPD-Seite, Volker Härtig, hat seit seinem Amtsantritt als einer der beiden Vorstände der Wohnraumversorgung Berlin vor rund einem Jahr deren Arbeit mit Vetos in vielen Bereichen lahmgelegt.
»Sehr viel hängt von Vorbereitung und Management solcher Kommissionen ab«, konstatiert Kalle Kunkel. Angesichts der bisherigen Erfahrungen habe die Initiative »sehr ausgiebig und kontrovers darüber diskutiert, ob wir uns daran beteiligen«, berichtet er. Klar sei auch, dass diese Kommission nicht nur ein Fachaustausch, sondern »eine politische Aushandlung« werde.
Die Initiative bleibt äußerst skeptisch. »Herr Geisel und Frau Giffey sind seit ungefähr einem Monat im Amt, trotzdem wurde mit uns noch nicht das Gespräch gesucht«, moniert Kalle Kunkel. Das zeuge von einer »eigenwilligen Prioritätensetzung« der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey und von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (beide SPD), denn die Vorbereitungen für den »Runden Tisch mit der Immobilienlobby« liefen bereits. Gemeint ist das geplante Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen. Es soll bereits Ende Januar das erste Mal zusammentreten.
»Wer will, dass die Expertenkommission legitimiert arbeiten kann, der muss die Volksentscheids-Initiative auf Augenhöhe und kooperativ bei der Einsetzung beteiligen«, sagt die Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger zu »nd«. So stehe es auch im Koalitionsvertrag. »Dass Senator Geisel bis heute nicht mit der Initiative gesprochen hat, ist im direktdemokratischen Sinne des Volksentscheids auch kein guter Stil«, kritisiert sie den Koalitionspartner.
Der mietenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schenker, sieht das ähnlich. »Ich erwarte, dass Geisel der Initiative zügig einen Gesprächstermin anbietet und mit ihr die Ausgestaltung der Kommission auf Augenhöhe gemeinsam bespricht«, sagt er zu »nd«. Die Initiative müsse »umfassend an der Kommission beteiligt werden«, denn »wenn irgendwer in der Stadt Expertise in Sachen Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen hat, dann die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen«. Eine für die interessierte Öffentlichkeit transparente und nachvollziehbare Arbeit der Kommission sei »elementar wichtig«. Sie müsse vor allem »konkrete Umsetzungsfragen bearbeiten«. Zum Beispiel die, welche Bewirtschaftungsziele für vergesellschaftete Immobilienbestände gelten müssten.
Die Stadtentwicklungsverwaltung will sich auf nd-Anfrage nicht konkret zu den Forderungen der Initiative äußern. »Für uns gilt, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde: Der Senat beschließt über die Einberufung, Beauftragung und Besetzung der Expertenkommission«, heißt es. Senator Geisel werde dem Senat innerhalb der ersten 100 Tage einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten.
»Der Ball liegt jetzt bei Frau Giffey und Herrn Geisel. Und wenn die beiden uns nicht einladen, behalten wir uns vor, dass wir sie bei uns einladen«, kündigt Initiativensprecherin Constanze Kehler an. sie: »Wir wollen mit der besten Expert*innenkommission Geschichte schreiben«, sagt sie in Anspielung auf die Slogans der Regierenden.
Kalle Kunkel stellt klar, dass es durchaus auch noch Gesprächsbereitschaft über die konkrete Ausgestaltung der Vergesellschaftungskommission gibt. »Wir haben jetzt erst mal vorgelegt. Es wäre absurd zu sagen: Wir erwarten das mit Unterschrift und Haken zurück.« So funktioniere das politische Geschäft nicht. Man werde alle Vorschläge, die kommen, in Hinblick auf die Ziele der Initiative prüfen und sie aus einer »Gesamtbetrachtung« beurteilen. Dann werde man sehen, »ob die Gefahr so groß wird, dass eine reine Hinhaltekommission entsteht«.
Für Auftrieb in der Debatte werden die jüngst bekannt gewordenen Mieterhöhungsverlangen der beiden größten Privatvermieter der Stadt sorgen. Erstmals seit Beginn der Pandemie geschehe das, heißt es von Deutsche Wohnen auf nd-Anfrage. »Dabei haben wir uns selbst Kappungsgrenzen gesetzt, die deutlich unter den Werten liegen, die rechtlich möglich wären. Im Schnitt beschränkt sich die Mieterhöhung pro Haushalt und Monat dadurch auf weniger als 20 Euro«, erklärt Sprecher Marko Rosteck. »Wir werden in einigen Stadtteilen eine Mietanpassung vornehmen«, formuliert es Vonovia-Sprecher Matthias Wulff gegenüber »nd«. Man gehe dabei »sehr zurückhaltend« vor, in einfachen Wohnlagen werde es überhaupt keine Mieterhöhungen geben.
Im Zuge der Fusion der beiden Vermietungskonzerne wurde die freiwillige Zusage gegeben, bis 2024 die Mieten im Bestand um jährlich maximal ein Prozent zu erhöhen - dies bezieht sich allerdings auf den Gesamtdurchschnitt, im Einzelfall kann die »Anpassung«, wie es im Konzerndeutsch heißt, auch deutlich höher liegen. Nicht betroffen von diesen Zusagen sind Mieterhöhungen nach Modernisierungen und die Betriebskosten. Gerade Letztere haben die Wohnkonzerne als Einnahmequelle entdeckt. Mehrmals mussten sie vor Gerichten deswegen bereits Niederlagen einstecken - wegen Intransparenz.
Für weiteren Aufruhr bei den Berliner Mieterinnen und Mietern dürfte im kommenden Frühjahr auch der neue Mietspiegel sorgen, der erstmals nach dem Fall des Mietendeckels wieder auf der Basis realer Miethöhen neu erhoben wird. »Die Steigerung wird sicher höher ausfallen als die 1,1 Prozent von 2021 auf Basis des Verbraucherpreisindizes«, sagt Reiner Wild zu »nd«. Er ist Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.
»Das Geschäftsmodell der finanzialisierten Wohnungswirtschaft ist unvereinbar mit einer sozialen Wohnraumversorgung«, sagt Niklas Schenker. »Diese Konzerne sind weiter dabei, unsere Städte zu zerstören«, formuliert es Kalle Kunkel noch etwas drastischer.
»Weil wir ohne Illusionen in die Gespräche hineingehen, werden wir parallel zur Kommissionsarbeit weiterarbeiten«, kündigt Kunkel an. Das könnten regelmäßige öffentliche Hearings oder eine parallele Kommission sein. »Das diskutieren wir gerade«, sagt er. »Und wenn am Ende herauskommt, dass es nicht den politischen Willen gibt, die Sozialisierung durchzusetzen, dann ist ein weiterer Volksentscheid mit ausgearbeitetem Gesetz natürlich eine Möglichkeit«, sagt Kunkel.
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