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Die Akkumulation läuft langsamer
Immer weniger Gewinne werden wieder in die Unternehmen gesteckt
Gewinne, so werden sie gerne legitimiert, werden ja auch wieder ins Unternehmen gesteckt, neue Arbeitsplätze schafft. So schreibt auch schon Karl Marx im ersten Band des Kapitals: »Die rastlose Vermehrung des Werts, die der Schatzbildner anstrebt, indem er das Geld vor der Zirkulation zu retten sucht, erreicht der klügere Kapitalist, indem er es stets von neuem der Zirkulation preisgibt.« Es ist also nicht altruistisch, wenn Profite wieder in Unternehmen gesteckt werden, sondern immanenter Teil der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Doch passiert das überhaupt noch immer so wie beschrieben?
Die Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage des Linke-Abgeordneten und Mitglied des Bundestagswirtschaftsausschusses, Pascal Meiser, die »nd.der Tag« vorliegt, lautet, dass immer weniger vom Gewinn wieder ins Unternehmen gesteckt wird. Zuletzt entsprachen die sogenannten Nettoinvestitionen im Jahr 2020 nur 3,4 Prozent der Gewinne. 1991 waren es noch fast 48,9 Prozent. Selbst im Vorkrisenjahr 2019 lag der Anteil lediglich bei 17 Prozent.
So stiegen die Unternehmensgewinne nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften seit 1991 bis zum Vorcoronajahr 2019 von 180,9 Milliarden auf 515 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Zuwachs von 285 Prozent. Selbst während der Corona-Pandemie betrugen die Unternehmensgewinne 434,1 Milliarden Euro. Die Differenz zwischen den Profiten und den Nettoinvestitionen stieg damit von 92,3 Milliarden auf zuletzt 419 Milliarden Euro.
Dabei entsprechen die Nettoinvestitionen jenem Betrag, den die Eigentümer*innen tatsächlich neu ins Unternehmen stecken. Denn sie sind die Differenz aus den Bruttoinvestitionen, also allen getätigten Investitionen, und den Abschreibungen, also den natürlichen Wertminderungen des Kapitals in Form etwa von Verschleiß, die ein Unternehmen eh ersetzen muss, will es nicht schrumpfen. Gleichzeitig expandiert es nur, wenn die Nettoinvestitionen positiv sind, also mehr Geld ins Unternehmen reinvestiert, als an alten Investitionen verschlissen wird.
Schrumpft nun gesamtgesellschaftlich der Anteil der Gewinne der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften an den Unternehmensgewinnen, also aller Kapitalgesellschaften außer etwa Banken und Versicherungen, dann bedeutet das, dass die Realwirtschaft relativ betrachtet immer weniger investiert. Die Akkumulation verlangsamt sich also.
Gleichzeitig erhalten die Angestellten einen immer kleineren Anteil des produzierten Reichtums. Zwar ist die sogenannte bereinigte Lohnquote, die den Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen angibt, zuletzt von 69,2 Prozent im Jahr 2014 auf 73,3 Prozent im Jahr 2020 gestiegen. Dabei kann man das Corona-Jahr 2020 aber sicherlich nur bedingt als Vergleichswert heranziehen. 2019 war die Quote mit 71,1 Prozent noch weitaus geringer. Vor allem war sie früher noch weitaus höher. So schwankte die Lohnquote in den 1990er Jahren noch 78 und 80 Prozent.
Die Unternehmerlobby fordert indes immer wieder Steuersenkungen, die angeblich die Investitionstätigkeit fördern würden. Es brauche »weniger Belastungen, weniger Bürokratie, weniger Steuern - und bessere Infrastruktur, mehr Anreize für Innovationen und Investitionen«, forderte der Präsident des mächtigen Industrieverbandes BDI, Siegfried Russwurm, Mitte Januar bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz. Die »Steuerlast« der Unternehmen solle auf »wettbewerbsfähige 25 Prozent« gesenkt werden.
»Wer behauptet, die Absenkung der Unternehmensbesteuerung führe quasi automatisch zu mehr privaten Investitionen, betreibt Augenwischerei«, entgegnet indes Linke-Politiker Pascal Meiser solchen Forderungen. Sicher sei nur, dass eine pauschale Absenkung der Unternehmensbesteuerung die Gewinne der Unternehmen und ihrer Anteilseigner steigert, während der öffentlichen Hand das Geld für wichtige Zukunftsinvestitionen, aber auch für Soziales, Gesundheit oder Bildung fehlt. »Statt weiterer pauschaler Steuererleichterungen für Unternehmen bedarf es einer Begrenzung der Dividenden-Ausschüttung und verstärkter staatlicher Investitionen, damit die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft kommt«, fordert Meiser deshalb.
Denn den Unternehmen sind offenbar die Dividenden ihrer Eigentümer wichtiger als Investitionen in die Zukunft. Dies macht nicht nur die Antwort auf Meisers schriftliche Frage an die Bundesregierung deutlich. Eine vergangenen November erschienene Studie von Oxfam Deutschland und Finanzwende kommt zu demselben Schluss. Demnach stiegen die Gewinne der 30 größten Aktiengesellschaften Deutschlands, der Dax-Unternehmen, zwischen 2009 und 2020 um 48 Prozent. Statt dieses Geld für nötige Investitionen, Rücklagen oder höhere Gehälter zu nutzen, wurde es vornehmlich an die Aktionäre ausgeschüttet. So stiegen die Dividenden im selben Zeitraum um 85 Prozent und damit sogar noch deutlich schneller als die Gewinne. Einzelne Unternehmen zahlten sogar in Verlustjahren Dividenden.
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