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Haus der Demokratie statt Kirchenschiff
Potsdam beginnt, den umstrittenen Standort Garnisonkirche in seiner zukünftigen Gestaltung neu zu denken
»Ich freue mich sehr, dass wir in dieser lange umstrittenen Frage einen solchen Kompromiss erzielen konnten. Das Rechenzentrum ist damit dauerhaft gesichert«, sagt Potsdams Linksfraktionschef Stefan Wollenberg am Donnerstag. »Mit dem Haus der Demokratie gibt es die Chance, diesem Ort eine grundsätzlich neue und positive Bedeutung zu geben.«
Das Stadtparlament hat am Mittwochabend den Weg dafür geebnet, den Standort rund um die umstrittene Garnisonkirche anders zu gestalten als bislang beabsichtigt. Kern des Lösungsvorschlags: Von der originalen Garnisonkirche, die im April 1945 bei einem Bombenangriff ausbrannte und 1968 gesprengt wurde, wird nur der Kirchturm wiederaufgebaut. Das läuft bereits. Die Stiftung Garnisonkirche verzichtet jedoch darauf, später noch das Kirchenschiff hinzuzufügen. Es ist sowieso nicht in Sicht, dass sie jemals die Mittel dafür aufbringen kann. Die Spenden flossen nie so reichlich wie einst versprochen. Mit Spenden allein ließ sich das Projekt nicht realisieren. Der Bund spendierte zusätzlich zwölf Millionen Euro.
Das der eigentlich unausweichliche Verzicht auf das Kirchenschiff nicht einfach abgewartet, sondern vertraglich vereinbart wird, hat aber einen unbestreitbaren Vorteil: Der Verwaltungstrakt des alten Rechenzentrums, in dem sich ein beliebtes Kunst- und Kreativhaus etablierte, steht dem Kirchenschiff nicht mehr im Weg und kann erhalten bleiben. Als Verbindung zwischen Kirchturm und Rechenzentrum soll ein Haus der Demokratie entstehen, dass sich architektonisch sowohl vom barocken Stil des Kirchturms als auch von der DDR-Moderne des Rechenzentrums abhebt. In diesem Haus der Demokratie soll es unter anderem einen Sitzungssaal für das Stadtparlament und Räume für das Stadtmuseum geben.
Der Weg ans Ziel führt über ein mehrstufiges Verfahren. Zunächst soll es für schätzungsweise 500 000 Euro eine Machbarkeitsstudie geben. Es folgen ein Architekturwettbewerb, bei dem bis zu drei Entwürfe ausgewählt werden. Zu diesen Entwürfen ist eine Bürgerbefragung vorgesehen. Dass die Bevölkerung ein Wort mitzureden hat, dafür sorgte die Linksfraktion. Ihr Vorschlag einer Befragung wurde aufgegriffen. Bei den einzelnen Etappen werden verschiedene Interessengruppen einbezogen: die Stiftung natürlich und die Künstler, die das Rechenzentrum nutzen, weiterhin beispielsweise die evangelische Landeskirche, die Architektenkammer und der Klimarat sowie das Kinder- und Jugendbüro der Stadt Potsdam. Für ein solches Verfahren stimmten 27 Stadtverordnete von SPD, Linke und Grünen. Drei Sozialisten und ein Sozialdemokrat enthielten sich. Dagegen stimmten 20 Stadtverordnete von CDU, FDP, AfD und Bürgerbündnis.
Auch die linksalternative Fraktion »Die Andere« stimmte dagegen. Sie steht in Fundamentalopposition zur Garnisonkirche und äußerte bereits im Vorfeld schwere Bedenken, weil die Stiftung Garnisonkirche das Grundstück für das Haus der Demokratie der Stadt in Erbpacht zur Verfügung stellen sollte. Konsequente Gegner des Wiederaufbaus der Kirche argwöhnten, dies sei ein Trick, damit die Stiftung mit dem Pachtzins die Vollendung des Turms finanzieren könne - was ihr sonst wegen zu geringen Spendenaufkommens schon nicht mehr gelingen würde. Dies insbesondere auch deswegen, weil nicht damit zu rechnen sei, dass der Bund erneut etwas springen lasse, nachdem Claudia Roth (Grüne) die alte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ablöste. Auch die Linksfraktion verlangte, die Stiftung müsse das Grundstück kostenlos herausrücken, zumal diese das Areal einst von der Stadt geschenkt bekam.
Nach Angaben von Linksfraktionschef Wollenberg ist jetzt vereinbart, dass geprüft wird, ob die Stiftung das Grundstück nicht zurückgeben müsse und was nötig, was möglich und was rechtlich zulässig oder unzulässig sei. Für den Fall, dass es doch zu einer Erbpacht komme, sei schon festgehalten, dass die Zinsen dem gemeinwohlorientierten Zweck angemessen sind, nicht für Baumaßnahmen verwendet werden dürfen und auch nicht auf einen Schlag gezahlt werden.
Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat sich mit dem Coronavirus angesteckt, befindet sich in Quarantäne und fehlte deshalb bei der Sitzung des Stadtparlaments. Im Vorfeld hatte er aber aufs Tempo gedrückt. Das ergibt auch Sinn, läuft doch Ende kommenden Jahres die Zwischennutzung des Rechenzentrums aus. Die Künstler müssen nun aber nicht mehr fürchten, aus ihren Ateliers hinausgeworfen zu werden. So schnell kann das Verfahren zwar nicht zu einem guten Ende geführt und das Haus der Demokratie errichtet werden. Doch der Oberbürgermeister soll rechtzeitig eine Übergangslösung für das Rechenzentrum vereinbaren.
Die Stiftung Garnisonkirche begrüßte noch am späten Mittwochabend den Beschluss des Stadtparlaments. Damit biete sich eine Chance für einen gemeinsam gestaltbaren Prozess, aus dem ein starkes Forum für Demokratie und Geschichte hervorgehen könne. Altbischof Wolfgang Huber sagte als Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung wörtlich: »Ich freue mich über die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung, und ich hoffe sehr, dass die Weiterentwicklung dieses Vorhabens zu einem gut durchdachten und zukunftsweisenden Ergebnis führen wird.« Nun könne mit allen Beteiligten die Klärung der noch offenen Fragen beginnen.
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