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Schlechtes Zeugnis für Sparkassen
Rund eine Million Prämiensparkunden werden von den Geldhäusern um ausstehende Zinsen geprellt
»Bitte schnellstmögliche Rücksprache mit Ihren Kundinnen und Kunden« - dieser Aufruf prangt unübersehbar auf dem Zeugnis, das ein Aktionsbündnis, angelehnt an die in diesen Tagen in den Schulen vergebenen Halbjahreszeugnisse, den Sparkassen ausstellt. Schnellstmöglich, denn es sei damit zu rechnen, dass in diesem Jahr die Ansprüche aus zahlreichen Prämiensparverträgen verjähren, wenn Kunden nicht klagen oder Sparkassen schleunigst handeln.
Und es ist kein Pappenstiel, denn immerhin geht es um rund eine Million Verträge. Vor genau einem Jahr hat die Bankenaufsicht Bafin die Sparkassen mit dem Entwurf einer Allgemeinverfügung dazu aufgefordert, auf Kunden mit Prämiensparverträgen zuzugehen. Bis heute halten es Verbraucherschützern zufolge jedoch weder Sparkassen noch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) für angebracht, in diese Richtung zu handeln und vorenthaltene Zinsen nachzuzahlen. Parallel zu der »Zeugnisvergabe« startete das Aktionsbündnis - bestehend aus der Bürgerbewegung Finanzwende, dem Geldratgeber »Finanztip« und der Verbraucherzentrale Sachsen - auch eine Online-Petition unter dem Titel »Sparkassen: Zahlt endlich die Zinsen«. Am Montag hatte die Unterschriftenaktion im Netz bereits die 10 000er-Marke überschritten.
Hintergrund der Aktion ist, dass Sparkassen für die beliebten Prämiensparverträge über viele Jahre sehr oft weniger Zinsen gezahlt hätten als den Sparern und Sparerinnen zustehen. Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 6. Oktober 2021 sei es laut Verbraucherschützern überfällig, dass die betreffenden Sparkassen die ausstehenden Zinsen aus den Langzeitsparverträgen »Prämiensparen flexibel« zahlen.
Das Aktionsbündnis bewertete in seinem Zeugnis unter anderem die Bereiche Zinsberechnung, Akzeptieren der Rechtsprechung, Ehrlichkeit und Transparenz bei den Sparkassen als schlecht. Das Zeugnis wurde dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) bereits am vergangenen Freitag im Rahmen einer Protestaktion übergeben.
»Wer gegenüber den eigenen Kunden unehrlich, intransparent und derart unfair agiert, setzt über Jahrzehnte gewonnenes Vertrauen aufs Spiel«, betonte dabei Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von »Finanztip«. Allein 2021 habe der Bundesgerichtshof drei Mal geurteilt, dass die Klauseln zur Zinsanpassung in den Prämiensparverträgen unwirksam sind. »Wie viele höchstrichterliche Urteile braucht es noch, bis Sparkassen sich in Bewegung setzen, statt permanent auf die Verjährung der Ansprüche zu pokern?«, fragte Tenhagen weiter.
Enttäuscht oder ohnmächtig gegenüber den großen Anbietern zeigten sich viele der meist älteren Sparkassenkunden in den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen. »Wir stehen auch weiterhin zu unserem Wort, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Prämiensparern zu ihrem Recht und Geld zu verhelfen«, sagt Andrea Heyer, stellvertretende Vorsitzende der Verbraucherzentrale Sachsen. Schließlich gehe es nicht um Peanuts, sondern laut Heyer um durchschnittlich 3600 Euro pro Vertrag.
An diesen individuellen Markern will Julian Merzbacher, Sprecher der Bürgerbewegung Finanzwende, ansetzen: »Nicht nur Betroffene, sondern jeder bekommt jetzt die Chance, ein Zeichen zu setzen. Es zählt jede Stimme, die dazu beiträgt, den Druck auf die Institute zu erhöhen«, sagt er mit Blick auf die Online-Petition. Das Spiel auf Zeit, das die Sparkassen betrieben, müsse beendet werden. »Viel zu oft kommen Banken und Sparkassen mit ihrer Verzögerungstaktik durch. Doch es muss wieder gelten: Wer Fehler begeht, muss auch die Folgen tragen und Verantwortung übernehmen - dies gilt erst recht in einem so sensiblen Bereich wie der Zinsberechnung«, erläutert Merzbacher.
Das Spiel auf Zeit sei in der Finanzbranche üblich, so der Finanzwende-Sprecher weiter. Die Geldhäuser nähmen die Bestimmungen solcher Urteile wie das des BGH vom 6. Oktober 2021 zwar für neue Vertragsabschlüsse auf, ließen sie für die bestehenden Verträge allerdings allzu oft unter den Tisch fallen. Die Kunden bekommen von den Urteilen meist nichts mit und so verrinnen oft die drei Jahre, nach denen ihr Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Zinsen verjährt ist. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, konkret mit Musterfeststellungsklagen und mehr Öffentlichkeit.
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