Costa kann in Portugal durchregieren

Sozialisten kommen bei den vorgezogenen Wahlen auf eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine absolute Mehrheit war das große Ziel des Sozialisten (PS) António Costa. Er hat es gegen seine eigene Einschätzung und die Umfragen erreicht. Seine PS hat bei den vorgezogenen Neuwahlen am Sonntag um fünf Prozentpunkte auf knapp 42 Prozent der Stimmen zugelegt. Costas PS kommt nun auf 117 Sitze von 230 Sitzen im Parlament und ist damit zum zweiten Mal in der Geschichte nicht auf Unterstützer angewiesen.

»Die PS wollte die linken Kräfte beseitigen und hat ihr Ziel erreicht«, erklärte gegenüber »nd« Isabel Pires. Die Abgeordnete des marxistischen Linksblocks (BE) hat ihren Sitz verloren. Sie ist eines der Opfer eines polarisierten Wahlkampfs. Umfragen hätten »ein völlig falsches Bild einer Pattsituation« zwischen der PS und der rechtsliberalen PSD gezeigt. Nach Umfragen kurz vor den Wahlen lag der PSD-Chef Rui Rio sogar vor Costa. Aus Angst, die Rechte könnte gewinnen und Rui Rio mit einer auch in Portugal aufstrebenden extremen Rechten regieren, haben viele BE-Wähler nun PS gewählt. Sie wollten verhindern, dass das geschieht, was in der Hauptstadt bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr passiert ist. Der »Bloco« stürzte von 9,5 auf 4,5 Prozent ab. Mit Pires verlieren insgesamt 14 von 19 BE-Abgeordneten ihren Sitz im Parlament. Um eine Rechtsregierung wie in Lissabon zu verhindern, stieg die Wahlbeteiligung um zehn Prozentpunkte auf 58 Prozent gegenüber 2019, obwohl 800 000 Portugiesen in Quarantäne waren und nur eine Stunde vor dem Schließen der Wahllokale wählen durften.

Einen solch »gigantischen« BE-Absturz hatte auch der Politologe José Santana »nicht erwartet.« Neben der Parteichefin Catarina Martins seien nur noch die »Mortágua-Zwillingsschwestern Mariana und Joana sowie zwei junge Abgeordnete im Parlament«, erklärte er dem »nd«. Der Professor an der ISCTE-Universität in Lissabon meint, die Strategie des rechtsliberalen Rio sei nicht aufgegangen. Statt die Wahlen zu gewinnen, konnte die PSD nur das Ergebnis von 2019 mit knapp 28 Prozent verteidigen, verlor aber sechs Sitze. Santana erklärt, dass »Rio die gemäßigten Wähler der Mitte nicht vergraulen wollte«, deshalb mehrfach erklärt hatte, nicht mit der rechtsextremen Chega (Es reicht) regieren zu wollen. Das sei ihm aber nicht abgenommen worden, meint der Politologe. Vor Augen hatten die Wähler die Azoren-Inseln, wo die PSD mit Chega-Unterstützung an die Macht kam.

Ein Wahlsieger ist auch die Chega. Statt 1,3 kam die Partei auf gut sieben Prozent. Die Ultras von André Ventura, der selbst aus der PSD kommt, lösten den Linksblock als drittstärkste Kraft ab. Sie werden statt einem nun über zwölf Parlamentarier verfügen. Ventura ist es gelungen, die traditionelle Rechte mit der CDS-PP zu zerschlagen. Die zieht nicht erneut ins Parlament ein. Sie kam 2019 noch auf 4,2 Prozent, als sie 2011 noch allein und nicht in Koalition mit der PSD antrat, waren es noch sogar 11,7.

Im Laufe des Wahlabends schoben sich auch die Liberalen (IL) noch vor den Linksblock und die kommunistisch dominierte Koalition CDU. Statt 1,3 Prozent kam IL auf fünf Prozent und wird statt einen nun acht Abgeordnete haben. Die CDU sackte von 6,3 auf 4,4 Prozent ab. Die Zahl ihrer Sitze halbiert sich auf sechs. Aber die Kommunisten werden sogar eine stärkere Fraktion als der Bloco haben, obwohl sie weniger Stimmen erhielten. Beide Parteien machen klar, dass sie sich nun in der Opposition neu aufstellen und weiter für die Rechte der breiten Bevölkerung kämpfen werden.

Costa hatte seine Unterstützer nach den Wahlen 2019 vor den Kopf gestoßen und keine Abkommen geschlossen. In den Haushaltsverhandlungen blieb er zuletzt hart, wollte kaum Zugeständnisse machen. Der Haushalt scheiterte, obwohl ein Kompromiss erneut möglich war, weshalb Präsident Rebelo de Sousa (PSD) das Parlament auflöste. Costa manövrierte BE und CDU in ein Dilemma. Setzen sie erneut wenig durch, verlieren sie Zustimmung unter radikaleren Anhängern. Kommt es zu Neuwahlen, weil der Haushalt scheitert, verlieren sie an Zustimmung bei gemäßigteren Wählern. Sein Schachzug ging auf.

Costa will seine Mehrheit nun nicht missbrauchen. »Eine absolute Mehrheit bedeutet nicht absolute Macht«, erklärte er zu seinem Wahlsieg. Er weiß, dass er nur mit »Leihstimmen« gewonnen hat. »Viele Portugiesen mit anderen Vorstellungen haben sich der PS angeschlossen«, da das Land Stabilität brauche. Er wolle für »alle Portugiesen regieren«, sagte er und bot allen Parteien - mit Ausnahme von Chega - einen Dialog an. Er wolle aber er loyal zum sozialistischen Programm und zu den Maßnahmen regieren, die im abgelehnten Haushalt enthalten waren.

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