Transparente Datenerfassung bei Pestiziden gefordert

Studie kritisiert Blockadehaltung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Vom Hof auf den Tisch: Mit der Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission soll in den europäischen Ländern die Agrarpolitik dem Klimawandel angepasst werden. Im Mai 2020 verabschiedet, ist sie Teil des »Green Deal«. Ein Ziel ist die Reduzierung von Pestiziden, Düngemitteln sowie Antibiotika in der Tierhaltung.

Der Pestizideinsatz etwa soll innerhalb von zehn Jahren um 50 Prozent verringert werden. Wie bei jedem Projekt ist auch hier die Frage entscheidend: Wie wird der Erfolg gemessen? »Aktuell fehlen zur Überwachung der Zielerreichung aussagekräftige Daten darüber, welche Pestizide wo, wann und in welchen Mengen zur Herstellung unserer Lebensmittel eingesetzt werden«, kritisieren Umweltorganisationen wie das Pesticide Action Network (PAN) Europe und Global 2000 aus Österreich.

Auf diesen Mangel reagierte die EU-Kommission im Februar 2021 mit einem Gesetzesvorschlag: der Verordnung über Statistiken des landwirtschaftlichen Inputs und Outputs (SAIO-Verordnung). Dieser Vorschlag soll die Mitgliedstaaten verpflichten, der Europäischen Statistikbehörde Eurostat jährliche Statistiken über den Pestizideinsatz zu übermitteln. Die zu erhebenden Daten sollen auf den bereits bestehenden Aufzeichnungen der Landwirt*innen über ihren Pestizideinsatz beruhen. Solche Aufzeichnungen sind seit 2011 für alle Betriebe verpflichtend, künftig sollen sie elektronisch übermittelt werden. Im weiteren Verlauf sollen die Daten anonymisiert weitergegeben werden.

Während der im EU-Parlament zuständige Agrarausschuss diesem Vorschlag grundsätzlich zustimmte, war das offensichtlich bei den Mitgliedstaaten anders. In dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht »Mit verbundenen Augen zielen« werfen die Autor*innen dem EU-Rat vor, hinter verschlossenen Türen den Vorschlag zur Datenverbesserung und Transparenz zu blockieren. »Setzt sich der Rat durch, wird eine Überwachung des EU-Pestizidreduktionsziels bis 2030 unmöglich«, heißt es im Bericht. Demnach sollen die Daten statt jährlich nur alle fünf Jahre übermittelt werden. Auch lehnen es die Mitgliedstaaten ab, dass die Aufzeichnungen der Landwirt*innen in elektronischer Form geführt und übermittelt werden müssen.

Untersucht wurden hierfür Dokumente aus den nicht öffentlichen Sitzungen des Rates, die PAN Europe und Global 2000 unter Berufung auf ihr Recht auf Zugang zu EU-Dokumenten erhielten. »Es scheint, als hätten die Mitgliedstaaten hinter verschlossenen Türen ein erbarmungsloses ›Race to the Bottom‹ ausgetragen«, erklärt Natalija Svrtan, Landwirtschaftssprecherin von PAN Europe. »Je weniger ambitioniert ein Änderungsvorschlag war, desto besser waren seine Chancen auf Verwirklichung.«

Neben Österreich soll vor allem die deutsche Bundesregierung eine weitergehende Transparenz blockiert haben. Hier jedoch gab es zwischenzeitlich einen Regierungswechsel. Das bisher von der CDU-Politikerin Julia Klöckner geführte Landwirtschaftsministerium (BMEL) ging an die Grünen. Bei der letzten Ratssitzung in Brüssel lehnte die neue Bundesregierung den bisherigen Vorschlag denn auch ab. »Die im Kompromisstext nur alle fünf Jahre vorgesehene Übermittlung von solchen Anwendungsdaten an die Kommission würde die Messung von Fortschritten in der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in den EU-Mitgliedstaaten sehr erschweren«, sagte eine BMEL-Sprecherin am Mittwoch gegenüber »nd«. Deshalb sei das im Dezember vorgelegte Verhandlungsmandat für den Trilog ausdrücklich abgelehnt worden. »Damit hat die neue Bundesregierung hier eine 180-Grad-Wende hingelegt, um mehr Transparenz beim Pestizideinsatz zu erlangen.«

Auch andere Länder würden ihre Haltung überdenken und den neuen Vorschlag der französischen Ratspräsidentschaft abwarten. Für das BMEL sei wichtig, dass die Regelungen die Aussagekraft und Nutzbarkeit der agrarstatistischen Daten verbessern, aber für die Landwirt*innen »zumutbar« blieben.

»Dass mit Deutschland jenes Land, das einst an vorderster Front den Gesetzesvorschlag sabotierte, nun konstruktiv agiert, stimmt optimistisch«, sagte Mitautor Helmut Burtscher-Schaden von PAN Europe. Damit am Ende ein wirksames Gesetz herauskomme, müssten die Mitgliedstaaten einlenken.

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