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Arbeitsmigration - jetzt fair
Erste Gütesiegel für »ethisches« Anwerben ausländischer Pflegekräfte verliehen
Um dem Personalmangel in der hiesigen Pflege entgegenzuwirken, streckt Deutschland seine Fühler immer weiter aus. Nachdem Süd- und Osteuropa weitgehend abgegrast sind, werben deutsche Gesundheitseinrichtungen nun in den sogenannten Drittstaaten ausländische Pflegekräfte an. Damit dies »ethisch, fair und transparent« abläuft, wurde dafür im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums das Gütesiegel »Faire Anwerbung Pflege Deutschland« entwickelt, das am Mittwoch zum ersten Mal an insgesamt 17 Pflegeeinrichtungen, Kliniken sowie Vermittlungsagenturen verliehen wurde.
Im Rahmen der Auszeichnung in Berlin, die wegen der aktuellen Corona-Situation nur online abgehalten werden konnte, nannte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Edgar Franke (SPD), das Gütesiegel »einen Meilenstein in Sachen Fachkräftezuwanderung«. Er sehe Deutschland damit umso mehr als »ein modernes Zuwanderungsland«.
Der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe und der Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland e. V., Helmut Kneppe, wies in diesem Zusammenhang auf die Konkurrenz im Anwerbegeschäft hin. »Deutschland wirbt nicht allein um ausländische Fachkräfte«, gab er zu bedenken. Daher müsse die Anwerbung mit einem starken Integrationsangebot verknüpft werden. Die Deutsche Altershilfe biete den Einrichtungen dafür ihre Unterstützung an.
Die Anwerbeverfahren werden von den wirtschaftlichen Akteuren selbst durchgeführt, der Gesetzgeber schafft mit dem Gütesiegel nur den Rahmen. Aktuell gibt es 78 laufende Verfahren, von denen 80 Prozent von Personalagenturen und nur 20 Prozent von Kliniken und Pflegeeinrichtungen selbst durchgeführt werden.
Angesichts der Tatsache, dass sich momentan etwa 150 solcher Agenturen auf dem deutschen Anwerbemarkt tummeln, ist die Einführung eines Kontrollmechanismus unter ethischen Gesichtspunkten nur folgerichtig. Das Gütesiegel »Faire Anwerbung« ist allerdings freiwillig. »Dennoch dient es als Sicherheit für eine faire Anwerbung und wirkt gegen Unternehmen, die ethischen Standards dabei unterlaufen«, betonte Jenny Wortha, stellvertretende Vorsitzende der Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland e. V. in ihrem Statement. Wortha ist zugleich stellvertretende Pflegedirektorin der Charité und freute sich als solche über die Verleihung des Gütesiegels auch an den Pflegekomplex des Berliner Krankenhauses.
Nachdem kürzlich auch Serbien wegen Eigenbedarfs und auch aufgrund einschränkender Corona-Maßnahmen als fast letztes europäisches Land einen Anwerbestopp ausgerufen hatte, sind die Zielländer deutscher Rekrutierungen nun vor allem Brasilien, Mexiko, die Philippinen, Vietnam und gerade verstärkt auch Indien. In Europa werden von deutscher Seite zurzeit nur noch in Bosnien und Herzegowina Pflegekräfte umgarnt.
Momentan gibt es hierzulande etwa 40 000 nicht besetzte Stellen in der Branche. Etwa 15 Prozent der zurzeit in Deutschland arbeitenden Pflegekräfte, etwa 200 000 Menschen, kommen bereits aus dem Ausland, davon 120 000 aus den sogenannten Drittstaaten und etwa 90 000 aus der Europäischen Union. Auch etwa 15 000 Menschen aus asylberechtigten Ländern arbeiten inzwischen in der Pflege - viele von ihnen sind 2015 als Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Allein in der Krankenpflege liegt der Anteil ausländischer Beschäftigter zurzeit bei 9 Prozent.
Der Vorsitzende der Gütegemeinschaft Anwerbung, Kneppe, betonte, dass die Kosten für die Integrationszeit der Angeworbenen nicht auf die Pflegekräfte abgewälzt würden. »Das zahlen alles die Arbeitgebenden«, sagte er knapp. Die Ausgaben für die Altenpflege insgesamt steigen laut Barmer Pflegereport bis zum Jahr 2030 auf 59 Milliarden Euro. Kneppe betonte außerdem, dass das Gütesiegel »nur ein Rädchen im großen Räderwerk der Pflegestrukturen ist, die wir hier bei uns reformieren müssen«. Wie schon die Vorsitzende des Deutschen Pflegerates (DPR), Christine Vogler, bei der Eröffnung des Pflegekongresses 2022 in der vergangenen Woche, sieht auch Kneppe ein »Neudenken der Strukturen als Notwendigkeit«, wobei er das Gütesiegel mit einbezog.
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