- Berlin
- U-Bahn-Ausbau in Berlin
Kampf um den Untergrund
Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) teilt nicht die SPD-Tunneleuphorie
»Die U-Bahn, die ich tatsächlich auch bauen möchte, ist die U3, der Lückenschluss zum Mexikoplatz. Alles andere sind erst mal Untersuchungen, wo ich auf die Ergebnisse sehr gespannt bin«, sagt Berlins Mobilitätssenatorin und Bürgermeisterin Bettina Jarasch (Grüne). Sie sagt es am Mittwochabend bei ihrem Antrittsbesuch bei der virtuell tagenden Landesarbeitsgemeinschaft Mobilität ihrer Partei. Die Sitzungen sind öffentlich.
»Wir bauen nicht U-Bahnen, weil es irgendwelche politischen Wünsche gibt oder weil irgendwelche Wahlkreise da liegen, sondern nur, wenn es am Ende in der Abwägung sinnvoll ist«, macht Jarasch ihre Distanz zur im rot-grün-roten Koalitionsvertrag vereinbarten Prüfung von Ausbauprojekten nicht ohne Spitzen gegen den sozialdemokratischen Koalitionspartner deutlich. Denn die Verlängerung der U7 in Spandau zur Heerstraße lässt sich leicht mit dem dort beheimateten SPD-Fraktionschef Raed Saleh verbinden.
Seine Co-Landesparteichefin, die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, hat bekanntlich ihre politische Heimat in Neukölln. Sie trommelt für den Ausbau der U7 an ihrem anderen Ende von Rudow bis zum Flughafen BER. Außerdem sind in der Liste: die U2 nach Pankow-Kirche und die U8 ins Märkische Viertel. Sowie die schon genannte U3, die mit der Verlängerung um eine Station eine Umsteigemöglichkeit zur S1 erhielte.
Ausgemacht sei im Koalitionsvertrag, dass für alle fünf Strecken Nutzen-Kosten-Untersuchungen durchgeführt werden. Dort stehe auch, »dass das nicht als übernächsten Schritt bedeutet, dass automatisch alle gebaut werden«, so Jarasch. Das sei eine harte Diskussion gewesen. Bessere Netzverknüpfungen und ein hohes Verlagerungspotenzial vom motorisierten Individualverkehr seien Kriterien. »Und nicht zuletzt der Klimacheck, weil beim Tunnelbau sehr viel CO2 ausgestoßen wird«, so Jarasch.
Größte Hürde ist der Nutzen-Kosten-Faktor, der positiv ausfallen muss, um Bundesförderung zu erhalten. Jarasch nennt als Beispiel die U8 ins Märkische Viertel, »wo ich sehr sicher bin, dass die Prüfung negativ ausgeht«. Denn es gebe hier nicht sonderlich viele Fahrgäste, die nicht mit anderen Nahverkehrsangeboten besser bedient wären. Das hätten ihr die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bestätigt.
Das sei gerade in der aktuellen Finanzsituation »ein wichtiges Argument, weil wir auch im Koalitionsvertrag festgelegt haben, dass U-Bahn-Bauten zusätzlich kommen müssten zu dem, was wir schon beschlossen haben«, so die Senatorin. Das seien beispielsweise der Nahverkehrsplan nebst dem bis 2035 laufenden BVG-Verkehrsvertrag, der Radverkehrsplan und auch der Bau der bereits verabredeten Tramstrecken. Bereits der U-Bahn-Planungsaufwand dürfe »nicht zulasten der bereits fixierten Projekte gehen«.
Beim gemeinsamen Antrittsbesuch mit Giffey bei der BVG hätte das Landesunternehmen angeboten, die nächsten Schritte bei der U3 und der U7 zu gehen, berichtet Jarasch. »Ich habe gesagt, dass ich ganz sicher die Steuerung für diese Projekte nicht aus der Hand geben werde.«
Besonders deutlich wird die Grünen-Politikerin beim Lieblingsprojekt der Regierenden Bürgermeisterin, der U7 zum Flughafen BER. »Das Argument, dass man eine Anbindung zum BER braucht, ist natürlich Unsinn«, so Jarasch. Er sei besser angebunden als der Münchner Flughafen. Wenn, dann seien Siedlungen und Gewerbe entlang der Strecke das Argument. Zwar habe sich Giffey mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) getroffen und gesagt: »Wir brauchen die U7 zum BER.« »Ich habe nicht gehört, dass Woidke selbst auch gesagt hat: ›Das ist jetzt mein Chefprojekt‹«, so Jarasch.
Das Projekt sei mit Kosten von mindestens einer Milliarde Euro »sauteuer«, außerdem wollten weder der zuständige Landkreis noch das Land die Verantwortung für die Finanzierung übernehmen. »Insofern bin ich mir nicht ganz sicher, ob dieses Ding mehr ist als ein Rohrkrepierer«, erklärt die Senatorin.
Nägel mit Köpfen will Jarasch jedoch beim Systementscheid zwischen S- und Regionalbahn für den Wiederaufbau der Potsdamer Stammbahn machen. Sie persönlich neige der Regionalbahnlösung zu. Beim Eisenbahnausbauprojekt i2030 stünde bei einigen Strecken noch diese Entscheidung aus. Sie sei bereits auf ihren Brandenburger Amtskollegen Guido Beermann (CDU) zugegangen, um im Paket politische Entscheidungen zu treffen.
»Dass die jetzt am 29. März getroffen werden sollen, hat Franziska Giffey in die Welt gesetzt«, sagt Jarasch. Der Grund: Die Regierende würde das gern bei der gemeinsamen Kabinettsitzung der beiden Landesregierungen verkünden. Jarasch stellt hierzu klar: »Es ist mein Ressort, und ich habe nicht vor, nur damit wir das an dem Tag verkünden können, den Prozess schlecht aufzusetzen.«
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