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Aufs Gewicht reduziert

Dünnsein ist ein Privileg, dessen sich die meisten Menschen nicht bewusst sind. Denn die Körper von dicken Menschen werden oft als Angriffsfläche benutzt, meint Livia Sarai Lergenmüller

  • Livia Sarai Lergenmüller
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit einigen Tagen ist Ricarda Lang Co-Vorsitzende der Grünen. Sie gilt als junge Idealistin aus dem linken Flügel der Partei und ist mit 27 Jahren die jüngste grüne Bundesvorsitzende. Auf Twitter scheint dies zweitrangig: Hier steht vor allem der Körper der Politikerin im Fokus.

Bei dicken Frauen, wie Ricarda Lang, verschränken sich Misogynie und Dickenfeindlichkeit. Obwohl wir Begriffe wie »Fat Shaming« oder »Body Positivity« längst kennen, wird das Thema selbst von Feminist*innen kläglich vernachlässigt. Der implizite Vorwurf, seinen Körper könne man ja schließlich ändern und abnehmen, wenn man nur wolle, scheint uns derart schlüssig, dass Betroffene letztlich allein bleiben. Hier versteckt sich die subtile Annahme, dicke Menschen seien faul und undiszipliniert. Klar, dass ihre Meinung zu Klimapolitik und Seenotrettung entsprechend nicht relevant sein kann.

Normschönheit und damit einhergehend Schlankheit ist ein häufig verkanntes Privileg, dass es für alle Menschen, deren Körper von dieser Norm abweichen, verdammt ungemütlich macht. Studien belegen: Schöne Babys erhalten mehr Zärtlichkeit, schöne Kinder bessere Noten, schöne Menschen bessere Jobs und mehr Geld.

Das Problem: Wer dünn ist, merkt dies in der Regel gar nicht. Während viele dicke Menschen sich jeden Post auf Social Media dreimal überlegen, beim Essen in der Öffentlichkeit subtile Seitenblicke ernten, in kaum einem gängigen Bekleidungsgeschäft Klamotten finden und beim Dating entweder außen vor gelassen oder fetischisiert werden, sind sich dünne Menschen der politischen Dimension ihres Körpergewichts kaum bewusst. Frauen stehen dabei besonders unter Beschuss: Sollten wir in den 50ern kurvig wie Marilyn Monroe sein, hungerte man sich in den 90ern auf den Heroin-Chic von Kate Moss runter und unterzieht sich nun, zwanzig Jahre später, lebensgefährlichen Brazilian Butt Lifts für einen Po à la Kim Kardashian. Normen ändern sich. Der Druck, ihnen stets zu entsprechen, jedoch nicht.

Die britische Autorin Laurie Penny schrieb einst: »Wenn alle Frauen dieser Welt morgen früh aufwachten und sich in ihren Körpern wirklich wohl und kraftvoll fühlten, würde die Weltwirtschaft über Nacht zusammenbrechen.« Es ist schon bemerkenswert, wie erfolgreich die neoliberale Wirtschaft weibliche Körper zu der Ressource schlechthin gemacht hat. Als hätten wir neben der Angst vor Gewalt, Vergewaltigung und Totschlag nichts Besseres zu tun, als Youtube-Workouts zu machen. Patriarchat und Kapitalismus gehen eben Hand in Hand.

Die Absurdität dessen zeigt sich schon in den Kinderzimmern. Wir alle kennen die Barbie-Puppe, die, wäre sie ein echter Mensch, nachweislich kaum lebensfähig wäre. Ihr Oberkörper bietet keinen Platz für Organe, Atemprobleme, Knorpelschäden und mehrere Bandscheibenvorfälle wären garantiert. Wie Barbie auszusehen, ist somit schier unmöglich. Doch Barbie findet sich durchschnittlich in jedem Mädchenzimmer sieben Mal. Und Untersuchungen zeigen, dass Mädchen, die mit den Puppen spielen, ein geringeres Selbstbewusstsein und einen stärkeren Wunsch nach einem dünnen Körper zeigen. Dickenfeindlichkeit wird uns wortwörtlich in die Wiege gelegt.

Dabei gibt es tausende Gründe, warum Körper verschieden aussehen können. Adipositas, genetische Veranlagung, Traumata und Erziehung sind dabei nur die offensichtlichsten Variablen. Manch eine*r möchte sich vielleicht ganz einfach nicht an toxische, sich ständig wandelnde Ideale anpassen. Die Körper anderer ungefragt zu kommentieren, ist daher fast immer eine schlechte Idee, und selbst vermeintlich gut gemeinte Kommentare wie »Ich sorge mich nur um deine Gesundheit« führen ganz sicher nicht dazu, dass sich die betroffene Person gut fühlt.

Körper dürften von mir aus gut und gerne etwas an Relevanz verlieren. Ich persönlich brauche nicht einmal Body Positivity und muss mich nicht immer »super sexy« fühlen. Die meiste Zeit wäre ich schon bedient, wenn mein Körper einfach mal existieren dürfte, ohne dass irgendwer seine Meinung dazu abgibt. Frauen tragen im Patriarchat bereits genug Last. Bitte lasst doch unsere Körper in Frieden - und Ricarda Lang Politik machen.

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