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Ampel im Trommelfeuer
Medienvertreter, Union und ukrainischer Botschafter fordern Waffen für Kiew
Der ARD-Polit-Talk bei Anne Will am Sonntagabend war exemplarisch für den Verlauf der Debatte um die Rolle Deutschlands im Konflikt um die aktuelle russische Truppenkonzentration relativ nahe der ukrainischen Grenze. Eingeladen waren mit Kevin Kühnert und Jürgen Trittin Vertreter zweier Regierungsparteien, dazu Linksfraktionschef Dietmar Bartsch und der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk. Letzterer forderte am Montagmorgen im Deutschlandfunk erneut Waffenlieferungen, denn: »Die Ukrainer spüren den Hauch dieser rollenden Güterzüge mit todbringenden Waffen an die Grenzen. Sie riechen diesen ätzenden Ruß von Putinschen Panzern, die ohne Pause in Stellung gebracht werden.«
Bei Anne Will dazugeschaltet war die US-Journalistin Anne Applebaum, faktisch zur Untermauerung der Position des ukrainischen Botschafters. Auch sie verlangte vehement deutsche Waffenlieferungen und unterstützte die Forderung Melnyks nach sofortiger Aufnahme der Ukraine in die Nato. Sie räumte aber ein, dass dies nicht innerhalb kurzer Zeit machbar sei. Die Nato-Osterweiterung in den letzten 30 Jahren habe eine »Friedenszone« geschaffen, meinte die Autorin. Osteuropäische Länder seien aus »Angst vor Russland« dem »Verteidigungsbündnis« beigetreten. Applebaum erklärte, gerade die deutsche Schuld im Zweiten Weltkrieg gebiete eine militärische Unterstützung der Ukraine, denn ein Großteil der Naziverbrechen sei dort verübt worden. Daher dürfe die Bundesrepublik nicht zulassen, dass die Ukraine »wieder zum Opfer« werde. Zudem verwiesen Applebaum und Moderatorin Will darauf, dass Deutschland 2021 Kriegsgerät im Umfang von neun Milliarden Euro an autoritäre Regime und Diktaturen geliefert habe.
Diese Lieferungen seien tatsächlich ein Problem, räumte Linksfraktionschef Bartsch ein, denn sie offenbarten, dass die deutschen Regierungen unterschiedliche Maßstäbe anlegten. Dennoch müsse im Ukraine-Konflikt weiter ausschließlich auf diplomatische Mittel gesetzt werden, so Bartsch.
Auch SPD-Generalsekretär Kühnert und Grünen-Urgestein Trittin beharrten darauf, dass Deutschland keine Waffen liefern werde. Gleichwohl stellten sie das endgültige Aus für die Ostseepipeline in den Raum und drohten weitere Mittel eines Handelskriegs an.
Deutsches Nein zu Waffenlieferungen
Die Zeiten, in denen in solche Debatten noch russische Diplomaten oder Journalisten eingeladen wurden, sind lange vorbei. Aus Kiew war ARD-Korrespondentin Ina Ruck zugeschaltet. Sie hält einen russischen Angriff für unwahrscheinlich. Der Kreml, konzedierte Ruck, habe ein nachvollziehbares Interesse, den Einfluss der Nato einzudämmen.
Doch Moskau könne den »kleinen Ländern, die vor Russland weglaufen«, auch ökonomische und andere Angebote machen, »statt sie immer nur zu überfallen«, empfahl Ruck.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will sich diesen Dienstag unmittelbar nach seinem Besuch bei US-Präsident Joe Biden mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda zu einem Gespräch über die Russland-Ukraine-Krise im Kanzleramt treffen, wie Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag mitteilte.
Das Nein zu Waffenlieferungen bekräftigte auch Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag) verwies sie darauf, dass Deutschland bereits in Litauen einen »sehr wichtigen Beitrag« zur Einhegung Russlands leiste. Dort ist eine von Deutschland geführte Nato-Kampfgruppe stationiert, rund 500 deutsche Soldaten sind vor Ort. Darüber hinaus würden Eurofighter zur Luftüberwachung nach Rumänien verlegt, sagte Lambrecht. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter plädierte hingegen erneut dafür, der Ukraine »eher defensiv angelegte Waffen« zu übergeben.
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