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»Cum-Ex«: Warburg-Banker droht lange Haftstrafe
Traditionsreiche Privatbank gerät immer stärker in den Fokus der Staatsanwälte
Vor deutschen Gerichten läuft der größte Steuerraub in der Wirtschaftsgeschichte mittlerweile als Dauerschleife. Am Mittwoch könnte das Landgericht Bonn die zweite lange Haftstrafe in Deutschland aussprechen. Im Strafprozess gegen einen Investmentbanker fordert die Kölner Staatsanwaltschaft eine Gesamtstrafe von sieben Jahren Haft. Die Verteidigung plädierte dagegen in der vergangenen Woche für eine Bewährungsstrafe.
Vor der 14. Großen Strafkammer um den Vorsitzenden Richter Roland Zickler steht der frühere Chef von Warburg Invest, einer Tochtergesellschaft der traditionsreichen Hamburger Bank M. M. Warburg. Detlef M. war mit zuständig für zwei spezielle Fonds, in denen reiche Geldgeber und institutionelle Investoren ihr Kapital anlegen konnten. Die Deals, an denen der Angeklagte beteiligt gewesen sei, hätten in den Jahren 2009 und 2020 zu einem Steuerschaden von 150 Millionen Euro geführt.
Bei diesen sogenannten Cum-Ex-Geschäften ließen sich Banken und Aktienhändler eine nur höchstens einmal angefallene Kapitalertragsteuer mehrfach vom Finanzamt »zurückerstatten«. Nicht allein in der Bundesrepublik: Weltweit soll dadurch dem Fiskus ein Schaden von schätzungsweise 150 Milliarden Euro zugefügt worden sein.
Dabei basierten die Cum-Ex-Geschäfte zunächst auf einer Gesetzeslücke. Dem Bundesfinanzministerium soll das Schlupfloch spätestens seit 2002 bekannt gewesen sein. Es dauerte aber noch viele Jahre und mehrere Versuche des Gesetzgebers, bis 2016 das Loch per Gesetz endgültig geschlossen wurde.
Das erste Cum-Ex-Urteil fällte das Landgericht Bonn im März 2020 gegen zwei britische Börsenhändler, die ebenfalls für M. M. Warburg tätig waren und zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Im Zuge der daraufhin eingelegten Revision wurde Ende Juli 2021 die Entscheidung vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigt.
Damit stand endgültig fest, dass es sich nicht um die legale Ausnutzung eines Steuerschlupfloches, sondern um eine strafbare Steuerhinterziehung handelt. Allen Beteiligten war als Bankkaufleuten bekannt, dass die Steuer gar nicht bezahlt worden war, so der BGH. »Gleichwohl stellte das Bankhaus W. (gemeint ist M. M. Warburg, Anm. d. Red.) sich selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage bei den Finanzbehörden aus, mit denen es – fälschlicherweise – den angeblichen Steuereinbehalt bestätigte.« Und dadurch die Steuer-»Rückzahlung« an ihre Kunden veranlasste.
Federführend in Deutschland bei Ermittlungen wegen Cum-Ex ist die Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Köln. Derzeit sollen weitere 100 Fälle anhängig sein, in die weit über 1000 Beschuldigte und Dutzende Banken, Fonds und Berater verwickelt sein könnten. Sie sieht den Angeklagten Detlef M. als Mittäter. Im Januar kam es zu einer überraschenden Wende: Bis dahin bestritt der erfahrene Banker jegliche Schuld. Nun gestand er.
Der einstige Geschäftsführer einer Warburg-Tochtergesellschaft in Luxemburg ist damit der erste Akteur der im Jahr 1798 gegründeten Hamburger Bank, der ein Geständnis ablegte. Alle anderen angeklagten oder beschuldigten Warburg-Banker bis in die oberste Geschäftsführung hinein hatten jegliche Schuld bestritten. Im vergangenen Sommer hatte das Landgericht Bonn dennoch den früheren Generalbevollmächtigten von Warburg zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
Seit mehr als einem Jahr versucht ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft Licht in das Dunkel zu bringen. Warum ließen Finanzbeamte im Herbst 2016 eine Nachforderung gegen die Privatbank in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren? Im darauffolgenden Jahr wollte Hamburg auf weitere 43 Millionen Euro an Steuern verzichten. Nur ein Eingreifen des Bundesfinanzministeriums unter Wolfgang Schäuble (CDU) verhinderte dies.
Ein ungewöhnlicher Eingriff, wie vergangene Woche der Leiter der Steuerabteilung des Berliner Ministeriums dem Untersuchungsausschuss berichtete. Die Weigerung, die Steuern einzuziehen, sei für ihn unverständlich gewesen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) war damals Erster Bürgermeister von Hamburg und hatte sich mehrfach mit den Eigentümern von M. M. Warburg getroffen, wollte sich aber zunächst nicht an die Gespräche erinnern. Den Verdacht einer politischen Einflussnahme auf die Finanzbehörde weisen die Sozialdemokraten zurück. Nun mehren sich Stimmen in Hamburg und Berlin, die Scholz nochmals im Zeugenstand vor dem Untersuchungsausschuss hören wollen.
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