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Gönnt Schwarzen Frauen ihre Schwangerschaft!
Rihanna ist schwanger. Anstatt sie zu kritisieren, sollten weiße Frauen lieber gesellschaftliche Schönheitsstandards für Women of Color hinterfragen, findet Nadia Shehadeh
Es war vor knapp zwei Wochen eins der großen Pop-Weltereignisse im Internet: Sängerin Rihanna machte gemeinsam mit ihrem Freund, dem Rapper A$AP Rocky, ihre Schwangerschaft publik. Die freudigen Baby-News gab es nicht lapidar per Pressemitteilung, sondern auf die für einen Weltstar angemessene Art: Mit einem Fotoshooting im winterlichen New York, das die für Rihanna übliche Mischung aus Glamour und Edgyness bereithielt.
Die meisten Fans freuten sich mit der Sängerin und die sozialen Medien überschlugen sich mit Kommentaren, von denen die meisten wohlgesonnen waren. Und das ist in diesen schlechten Zeiten schon eine erfreuliche Sache. Denn in der Vergangenheit wurden prominente Schwarze Frauen schon viel zu oft angegriffen, wenn sie ihren Star-Faktor nutzten, um ihre Schwangerschaft gebührend in Szene zu setzen. Als vor ein paar Jahren Beyoncé oder Serena Williams medienwirksam ihre Babybäuche präsentierten, meckerten viele – vor allem auch weiße Feminist*innen. Alles zu pompös, alles zu sexy, und überhaupt, normale schwangere Frauen würden so nicht aussehen, klingelte es damals beleidigt aus vielen Ecken.
Auch die Rihanna-Baby-News lockten einigen hämische Kommentare aus der Feder, denn anscheinend können einige Menschen es nicht verkraften, wenn ein Weltstar wie Rihanna einfach ihren Job macht – und dazu gehört eben auch, ab und zu Teile ihres Privatlebens zu vermarkten. Wenn weiße Feministinnen dann eine Tastatur vor sich liegen haben, kann es auch mal richtig daneben gehen: Im Fall Rihanna mussten dann auch wieder einige zur Schau stellen, dass sie null-Komma-null Enthusiasmus für den schönen Babybauch des Pop-Stars auf Lager haben. Warum man es so feiern muss, wenn eine schwangere Frau wie Rihanna überraschend »normschön« sei, wurde auch in meiner persönlichen Social-Media-Timeline auf die vermeintlich feministische Art gefragt. Das ist besonders perfide, weil damit so getan wird, als würde man eine universale Kulturtechnik kritisieren, die den gleichen Druck auf alle Frauen aufbaut - wobei aber in Wahrheit verkannt wird, dass für Frauenkörper, die nicht weiß sind, immer schon andere Standards in Bezug auf Körperlichkeit und Attraktivität galten.
Schönheitsstandards orientieren sich bis heute sehr oft an eurozentrischen Vorstellungen und sie betreffen von Haaren bis Körpern bis Hautfarbe eigentlich alle Bereiche der Körperlichkeit. Außerdem ist es so, dass es mittlerweile fast schon System hat, Schwarze Frauen und Women of Color einem kritischen Attraktivitäts-Check zu unterziehen – und dann eine Gefahr für den »Feminismus« zu sehen, wenn auf der Sexyness-Skala die Punkte sehr weit oben anzusiedeln sind. Die Kritik an elaboriertem Make-up oder auch Styling rührt zusätzlich auch oft im Topf des »Femme-Shamings«: Gegenderte Kulturtechniken wie das Schminken werden dann als »frauenfeindlich« abgestempelt, obwohl die wahre Misogynie darin lauert, alle die Praktiken, die weiblich gelesen werden, systematisch abzuwerten.
Auch die üblich abfälligen Kommentare über Rihannas Milliardärinnen-Status ließen nicht lange auf sich warten. So als habe sie als Schwarze Künstlerin höchstpersönlich den Kapitalismus erfunden. Diese vermeintlich »feministische« Kritik, die schon zu Genüge bei Beyoncés medienwirksam inszenierten Schwangerschaften und ihren Business-Aktivitäten herausgeplärrt wurde, zeigt dabei aber nur eins: wie Misogynie und Rassismus sich immer noch gerne die Klinke in die Hand geben. Oder, wie es die Autorin Jacinta Nandi letztens so schön auf den Punkt brachte: Über schwerreiche weiße Frauen mit Status wie etwa Kate Middleton würde sich kaum eine*r auf die gleiche Art und Weise aufregen.
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Im Übrigen ist der Ärger darüber, dass Rihanna selbst kuratieren möchte, welche ersten Bilder ihrer Schwangerschaft großflächig in den Medien verteilt werden, umso infamer, wenn man bedenkt, dass die Sängerin eine ganz eigene Historie hat, was Bildmaterial von ihr betrifft, das unkontrolliert durch die Welt wandert. Etwa genau um diese Zeit vor zwölf Jahren sorgte nämlich das Foto von Rihannas blutigem und geschwollenem Gesicht für Furore, das nach der Prügelattacke ihres Ex-Freundes Chris Brown im Rahmen der Beweisaufnahme entstand – und das gegen ihren Willen weltweit verbreitet wurde. Sie fühle sich durch die Aufmerksamkeit, die der Vorfall erregte, und die auch durch das berühmt-berüchtigte Foto befeuert wurde, »immer und immer wieder bestraft«, betonte sie in einem Interview einige Jahre später.
Deswegen ist es auch ein Grund mehr, die Art der Selbstbestimmung, die Rihanna mit ihrem Babybauch-Shooting zelebriert hat, zu feiern. Und wer ihr diese Freude nicht gönnt, ist einfach ein Troll.
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