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  • Erinnerung an Kolonialismus

Gedenken an ermordete Friedenskämpfer

Frankreichs Präsident Macron ehrt Opfer der Polizeigewalt gegen Demonstranten vom Februar 1962

  • Ralf Klingsieck, paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Treffen mit Vertretern von Familien von Rückkehrern aus dem unabhängigen Algerien nach dem Algerienkrieg im Elysee-Palast.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Treffen mit Vertretern von Familien von Rückkehrern aus dem unabhängigen Algerien nach dem Algerienkrieg im Elysee-Palast.

Das von Emmanuel Macron unterzeichnete Kommuniqué aus dem Elysée war kurz, aber bemerkenswert. Der erste Satz erinnerte an das historische Ereignis: »Am 8. Februar 1962 wurde in Paris eine breit angelegte Demonstration für den Frieden und die Unabhängigkeit in Algerien und gegen die Attentate der OAS organisiert. Sie wurde durch die Polizei gewaltsam niedergeschlagen. Dabei verloren neun Menschen das Leben und mehrere Hundert wurden verletzt.« Dann kam der Satz, den vor ihm noch kein Präsident Frankreichs formuliert hat: »60 Jahre nach dieser Tragödie verneige ich mich in ehrendem Gedenken vor den Opfern und ihren Familien.«

Dabei muss man wissen, dass zu der Demonstration seinerzeit die Kommunistische Partei und die Gewerkschaft CGT sowie weitere ihnen nahestehende Organisationen aufgerufen hatten und dass acht der neun Todesopfer Kommunisten waren. Für die Aktion verantwortlich war der seinerzeitige Polizeipräfekt Maurice Papon, der dann 1998 als ehemaliger hoher Beamter des Vichy-Regimes wegen seiner Mitverantwortung für die Deportation von Juden vor Gericht gestellt und zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde.

Bereits, als Macron noch Präsidentschaftskandidat war und bei einem Besuch in Algerien in einem Interview den französischen Kolonialismus als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« bezeichnete, hatte er damit einen Sturm der Entrüstung aller rechten und rechtsextremen Kräfte ausgelöst. Macron hat zwar diese Aussage nie wiederholt, aber auch nicht zurückgenommen oder relativiert. Als Präsident ist er bemüht, die immer noch durch die Erinnerung an den Kolonialismus und den Befreiungskrieg belasteten Beziehungen zu Algerien zu normalisieren und gleichzeitig zur Versöhnung der Franzosen beizutragen, die auf beiden Seiten in den Konflikt verwickelt waren.

So traf sich Macron wiederholt mit früheren Harkis, algerischen Hilfssoldaten an der Seite der Kolonialarmee. Dabei handelte es sich durchaus nicht nur um Kriegsfreiwillige, viele wurden in diese Rolle gezwungen. Die meisten hat man beim Abzug 1962 vor Ort ihrem Schicksal, also der Rache der siegreichen FLN, überlassen. Nur einige Tausend wurden zusammen mit ihren Familien evakuiert, mussten dann aber in Frankreich viele Jahre in Notquartieren und oft arbeitslos wie Parias der Gesellschaft leben. Ihnen sprach Macron sein Mitgefühl aus und er verurteilte ihre ungerechte Behandlung. Andererseits hat Macron aber auch 2018 als erster Präsident die Verantwortung des Staates für den jahrzehntelang geleugneten Mord an dem Kommunisten Maurice Audin anerkannt, der als Lehrer in Algier illegal für die FLN gearbeitet hatte und der im Juni 1957 von den Militärs verhaftet, gefoltert und ermordet wurde. Macron suchte die Witwe auf und sprach ihr sein tiefes Mitgefühl aus.

Vor wenigen Tagen machte der Präsident eine Geste gegenüber den »pieds noirs«, den ehemaligen französischen Siedlern in Algerien, die durch die Unabhängigkeit ihren Besitz verloren und von denen es viele schwer hatten, nach der Flucht in Frankreich Fuß zu fassen. In einer Rede Ende Januar vor Vertretern ihrer Verbände würdigte Macron ihr Schicksal und sprach ihnen seine Anerkennung für ihre Lebensleistungen aus. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, dass eine Woche nach dem am 18. März 1962 in Evian unterzeichneten Unabhängigkeitsvertrag in Algier eine Demonstration von Anhängern des »französischen Algerien« stattfand, die sich mit der Unabhängigkeit nicht abfinden wollten. Diese friedliche Demonstration wurde von französischen Militärs mit Maschinengewehren zusammengeschossen, wobei mehr als 50 Menschen das Leben verloren. Dass hier »Franzosen auf Franzosen geschossen haben«, verurteilte Macron als eine »für die Republik unverzeihliche« Tat.

Andererseits erklärte er, dass auch die Opfer des Massakers von Oran zu ehren sein werden, wo im Juni 1962 Kämpfer der FLN und algerische Zivilisten unter den zurückgebliebenen Franzosen ein Blutbad angerichtet und mehrere hundert Menschen ermordet haben. Dieses Massaker hat die endgültige Massenflucht der Europäer aus Algerien ausgelöst. Die algerische Regierung hat sich nie von dieser wahrscheinlich nicht befohlenen, aber auch nicht geahndeten Tat distanziert.

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