- Kommentare
- Drittes Coronajahr
Kein Frühling ohne Herbst
Lockerungen brauchen gehen nicht ohne gesundheits- und sozialpolitische Positionen
Wer ist nicht coronamüde? Natürlich bleibt zu wünschen, dass die mentale Last, die viele Menschen verspüren, im Angesicht des sich ankündigenden dritten Corona-Frühlings endlich etwas leichter wird. Aber auch wenn die Sonne scheint und die Maßnahmen fallen, bleibt zu betonen: diese Last besteht nicht darin, sich beim Betreten eines Geschäfts eine FFP-2-Maske aufzusetzen. Es zeugt auch nicht von pandemischem Allgemeinwissen, wenn man angesichts der wohl bald abklingenden Omikron-Welle nun großspurig erklärt: »Das war’s jetzt!«
Die Ministerpräsidenten der Länder wollen am Mittwoch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über Lockerungen beraten. Dabei gilt als sicher, dass ein Öffnungsplan entworfen wird. Unklar ist, wie schnell Lockerungen kommen und ob das bis 19. März befristete Infektionsschutzgesetz als Grundlage der Maßnahmen vorsorglich verlängert wird. Aber wenn die Infektionszahlen in den kommenden Wochen sinken, wird der politische Druck größer werden, dies nicht zu tun. Dann gilt es, mit medizinischen Erkenntnissen und gesundheitspolitischen Forderungen dagegenzuhalten.
Denn wenn man die Entsolidarisierung in der Gesellschaft nicht noch weiter vorantreiben will, muss die Maßgabe bleiben, zuvorderst diejenigen zu schützen, die von der Corona-Pandemie am stärksten betroffen sind: Kinder, Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen, Frauen, Arme. Auch im dritten Corona-Frühling muss es eine Idee geben, wie die Lage im dritten Corona-Herbst sein und bewältigt werden kann. Die Kliniken vor Überlastung zu schützen und zugleich stationäre Versorgung für alle zu ermöglichen, die sie brauchen. Nicht Test- und Impfangebote abschaffen, die man dann im Herbst wieder neu erfinden muss. Die Last von den Geringverdiener*innen, Solo-Selbstständigen, Alleinerziehenden und Familien nehmen, Arme, Obdach- und Wohnungslose besser versorgen, soziale Angebote für Kinder und Jugendliche schaffen, die Schulen und Beratungsstellen unterstützen: nur das ist die anstehende Corona-Politik, die tatsächlich die Last verringert.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.