Wohl nur kosmetische Korrekturen am Strommarkt

Der Verbraucherverband VZBV fordert eine soziale Preispolitik von Energiebranche und Regierung

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Energiepreiskrise trifft die privaten Haushalte nach wie vor hart. Discount-Anbieter, die sich mit nicht tragfähigen Geschäftsmodellen etablieren konnten, hätten im Winter die Lieferung von Strom und Gas kurzfristig eingestellt, beschrieb Jutta Gurkmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) Ende vergangener Woche bei einer Onlineveranstaltung die Lage. Verbraucher*innen, die dadurch in die Ersatz- und dann in die Grundversorgung rutschten, seien teilweise mit Mehrkosten von bis zu 1300 Euro im Jahr konfrontiert. Das treffe bis zu 3,6 Millionen Menschen - und ganz besonders Haushalte mit niedrigem Einkommen, beklagte Gurkmann.

Der VZBV präsentierte nun einen sozial orientierten Katalog von Forderungen. Dazu gehören ein Moratorium für Strom- und Gassperren mindestens bis April sowie die Abschaffung der Stromsteuer sowie der Industrieausnahmen bei den Netzentgelten. Gut findet der Verband auch das von der Ampel-Regierung geplante Aus für die EEG-Umlage, sofern dies an die Kundschaft weitergereicht werde. Für eine bessere Lösung hält der VZBV aber das von der Koalition versprochene Klimageld. Eine volle Rückgabe der CO2-Bepreisung bringe einen gerechteren sozialen Ausgleich, hieß es zur Begründung.

In der folgenden Debatte warnte auch die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, vor extrem hohen Energienachzahlungen und Nebenkostenabrechnungen. Wie sie das finanzieren sollen, wüssten viele Mieter*innen nicht mehr.

Für Bentele ist Strom »Teil der Daseinsvorsorge«. So müsse er auch behandelt werden, forderte sie. Um schnell und effektiv zu helfen, plädierte die VdK-Präsidentin dafür, die Stromsteuer abzusenken. Das sei ein »fairer Weg«, denn damit würden die Haushalte entlastet, die wenig Geld haben und bekanntlich auch vergleichsweise wenig CO2 verursachten.

Derartige Appelle und Forderungen beeindrucken große Verbände der Energiebranche allerdings wenig, wie die Veranstaltung zeigte. Billiganbieter hätten Hunderttausende Kunden im Regen stehen lassen? Das sei doch ein klar rechtswidriges Verhalten gewesen, wies Kerstin Andreae, Chefin des Energie- und Wasserwirtschaftsverbandes BDEW, die Kritik am Marktgeschehen zurück. Unseriöse Praktiken müssten künftig erschwert werden, grundsätzlich halte der BDEW aber Discounttarife sowie eine kurzfristige Einkaufspolitik am Strommarkt für »legitime Geschäftsstrategien«.

Um Abhilfe gegen die »Unseriösen« zu schaffen, plädierte die ehemalige Grünen-Politikerin Andreae dafür, im Energiewirtschaftsgesetz zu regeln, dass künftig die Aufgabe der Geschäftstätigkeit mindestens drei Monate vorher bei der Regulierungsbehörde angezeigt werden müsse.

Die Dreimonatsfrist findet auch Ingbert Liebing gut: Die Frist schütze zwar nicht vor dem Insolvenzfall, räumte der Chef des Verbandes kommunaler Unternehmen ein. In der Kündigungsphase könnten sich die Kunden aber auf dem Markt nach neuen Verträgen umschauen.

Auch dem VZBV genügt der Ankündigungszeitraum von drei Monaten, um den Gefahren durch Stromdiscounter zu begegnen. Zusätzlich sollten aber noch Mindeststandards für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Anbieter eingeführt werden.

Auf Letzteres gingen die großen Branchenverbände mit keinem Wort ein. Im Bundeswirtschaftsministerium gibt es dagegen schon Überlegungen, wie sich fragwürdigen Praktiken gerade der Billiganbieter ein Riegel vorschieben ließe, machte Staatssekretär Oliver Krischer, langjähriger Energiepolitiker der Grünen im Bundestag, in der Debatte deutlich. Er will den Behörden »Instrumente« in die Hand geben, um Verdachtsfällen zweifelhafter Geschäfte nachgehen zu können. Allerdings wolle man auch keine neue Bürokratie schaffen und den Wettbewerb erhalten.

Entschieden sei aber schon über eine Änderung im Energiewirtschaftsgesetz, wonach eine Geschäftseinstellung vorher anzumelden ist, stellte Krischer weiter klar. Die von den Versorgern gewünschten Splittingtarife für Bestandskunden (preiswert) und Neukunden (teuer) werde das Ministerium voraussichtlich auch erlauben, allerdings zeitlich begrenzt. Und bei der Abschaffung der EEG-Umlage wolle die Regierung dafür sorgen, dass die Preissenkung wirklich auch bei den Verbrauchern ankomme, beteuerte der Wirtschaftsstaatssekretär. Ob das Aus für die EEG-Umlage schon in diesem Sommer oder erst Anfang 2023 komme, diskutiere die Regierung aber noch.

Im Übrigen machten Krischers Ausführungen jedoch deutlich, dass - ausgenommen die EEG-Umlage - bei den Strompreisen eher kosmetische Korrekturen zu erwarten sind. Egal worüber man diskutiere - ein Cent Strompreissenkung in Deutschland bedeute fünf Milliarden Euro, und es müsse klar sein, was man mit fünf Milliarden Euro noch so tun kann, wies Krischer weitere Senkungsforderungen zurück. Man könne vieles fordern, das müsse dann aber irgendwo anders kompensiert werden.

Mit der Senkung der EEG-Umlage ist der Spielraum in der Koalition für weitere flächendeckende Strompreissenkungen offenbar stark eingeschränkt. Zum grünen Vorzeigeprojekt, dem Klimageld, sagte Krischer übrigens nichts.

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