- Politik
- Alexej Nawalny
Neuer Prozess gegen Alexej Nawalny
Kreml-Kritiker wird Veruntreuung und Beleidigung vorgeworfen
Pokrow. Gegen den prominenten russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist ein neuer Strafprozess eröffnet worden. Die erste Anhörung in dem Betrugsverfahren fand am Dienstag in einem provisorischen Gerichtssaal in der Strafkolonie in Pokrow statt, wo der Kreml-Kritiker seit rund einem Jahr inhaftiert ist.
Nawalny erschien im Gerichtssaal in einer Häftlingsuniform und mit kurz geschorenem Haar. Begleitet wurde er von seinen Anwälten sowie mehreren Wachleuten. Wie auf einem Video zu sehen war, nahm auch Nawalnys Frau Julia Nawalnaja an der Anhörung teil. In einer Pause konnte Nawalny sie in den Arm nehmen.
Die russischen Behörden hätten »Angst vor dem, was ich sagen werde«, sagte Nawalny. Deshalb werde der Prozess hinter verschlossenen Türen in der Strafkolonie abgehalten. »Ich wurde in diesem Fall noch nicht schuldig gesprochen, aber sie lassen mich in der (Häftlings-)Uniform auftreten, damit die Großmutter, die mich im Fernsehen sieht, denkt: Nun ja, er ist ja sowieso im Gefängnis.«
»Sie werden meine Strafe auf unbestimmte Zeit erhöhen«, sagte der 45-Jährige zu den Richtern. »Aber was können wir schon dagegen tun? Was die Menschen tun, ist wichtiger als das Schicksal einer einzelnen Person. Ich habe keine Angst.«
Nawalny sitzt bereits eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Betrugs in der rund 100 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Strafkolonie ab. In dem neuen Verfahren geht es um die angebliche Veruntreuung von Spendengeldern in Höhe von umgerechnet 4 Millionen Euro durch Nawalny. Die mögliche Höchststrafe für den Tatbestand beträgt zehn Jahre Haft. Nawalnys Anwältin Olga Michailowa wies die Vorwürfe zurück und sprach von »politischer« Verfolgung.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte den Prozess als Farce. Es handele sich um ein »Scheinverfahren, an dem statt Medien Gefängniswärter teilnehmen«. Es sei »offensichtlich, dass die russischen Behörden sicherstellen wollen, dass Nawalny das Gefängnis so bald nicht verlassen wird«.
Die Nawalny-Vertraute Maria Perwtschich warf den russischen Behörden vor, den Prozessbeginn absichtlich während der Woche »der größten Spannungen in der Ukraine-Krise« angesetzt zu haben. Ziel der Behörden sei es, Nawalnys Strafe drastisch zu verlängern, »während alle durch etwas Größeres abgelenkt sind«, schrieb sie im Onlinedienst Twitter.
Seit seiner Inhaftierung gehen die russischen Behörden massiv gegen Nawalnys Unterstützer vor. Seine Regionalorganisation sowie seine Antikorruptionsstiftung wurden verboten. Nawalny selbst sowie einige seiner Mitstreiter wurden im Januar auf eine offizielle Liste von »Terroristen und Extremisten« gesetzt. AFP/nd
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!