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Honduras’ Narcokratie wankt
Ex-Präsident Juan Orlando Hernández droht wegen mutmaßlichen Drogenhandels die Auslieferung in die USA
Die Anklage hat es in sich. Juan Orlando Hernández wird von der US-Justiz beschuldigt, für den Schmuggel von 500 Tonnen Kokain durch Honduras in Richtung USA verantwortlich zu sein. Für Experten ist unstrittig, dass der Ex-Präsident der Kopf eines Drogenkartells ist, das in den vergangenen Jahren, gedeckt von Justiz, Polizei und Militär, den Transit der Drogen aus Kolumbien durch das mittelamerikanische Land koordinierte. »Juan Orlando Hernández ist in Honduras weitaus erfolgreicher als Pablo Escobar in Medellín gewesen. Während Pablo Escobar auf öffentlichen Druck aus der Politik ausscheiden musste, hat Juan Orlando Hernández es ins höchste Staatsamt geschafft, sich entgegen den Verfassungsbestimmungen wiederwählen lassen und einen Narco-Staat aufgebaut. Den müssen wir nun zerschlagen«, so Joaquín Mejía, Anwalt und Analyst des jesuitischen Forschungszentrum Eric-SJ, gegenüber »nd«.
Die neue Regierung von Xiomara Castro steht vor einer Mammutaufgabe, denn sie hat keine Mehrheit im Parlament und die Narco-Netzwerke reichen nicht nur in die Partido Nacional von Ex-Präsident Hernández, sondern auch in die eigene Partei Libre, ein sozialliberales Sammelbecken. Bester Beleg dafür ist die Allianz einer Libre-Fraktion um den populären Abgeordneten Jorge Cálix mit den 44 Abgeordneten der Partido Nacional. So wurde nicht nur Jorge Cálix gegen den Widerstand von Präsidentin Xiomara Castro als Parlamentspräsident installiert, sondern auch ein Gesetz vorbereitet, das Auslieferungen in an die USA untersagen sollte. Die Allianz ist mit ihren Vorhaben gescheitert. Das lag zum einen an der kompromisslosen Haltung von Präsidentin Castro, zum anderen aber auch an der sich abzeichnenden Unterstützung für Castro aus den USA.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Mit dem Minister für Sicherheit, Ramón Sabillón, hat Castro einen Mann berufen, der fünf Jahre im US-Exil lebte und das Vertrauen der Biden-Administration genießt. Auch Polizeichef Alexis Galo Maldonado steht für den Wandel. Bezeichnend ist, dass die Armee fortan keine zivilen Aufgaben mehr wahrnehmen soll. Die gefürchtete Militärpolizei soll fortan in den Kasernen bleiben: Signale, die dazu beigetragen haben, dass die Präsidentin derzeit von einer Welle der Zustimmung getragen wird.
Das Auslieferungsgesuch, das die Anwälte von Hernández zu torpedieren versuchen, trägt dazu bei, dass die Clique um den Narco-Präsidenten unter massivem Druck steht. Dazu gehören auch etliche hohe Richter, die vom Ex-Präsidenten JOH, wie Hernández in Honduras nur genannt wird, ernannt wurden. Justiz, Armee, Polizei, ein Teil des Mediensektors sowie willfährige Geschäftsleute und Evangelikale, aber auch das konservative Spektrum der katholischen Kirche gehörten zu den Eckpfeilern der Macht des Narco-Präsidenten. »Mit dessen Verhaftung verliert die Narco-Struktur ihren Kopf. Das kann dafür sorgen, dass die Re-Demokratisierung der Strukturen schneller vonstattengehen könnte, als ursprünglich gedacht«, hofft Mejía.
Wie hoch der Druck auf der quasi weitgehend kooptierten Justiz ist, zeigt auch das Urteil des Verfassungsgerichts im Guapinol-Prozess vom Samstag. Das Verfahren gegen acht Umweltaktivisten, die gegen die Kontaminierung der Trinkwasserreserven durch ein Eisenerz-Bergwerk in der Region Tocoa protestierten, hatte Amnesty International als unfair kritisiert. Die Umweltaktivisten sitzen seit Monaten in U-Haft. Der internationale Druck, aber mehr noch der miese Ruf der obersten Richter*innen habe dazu geführt, dass das Urteil eines Provinzgerichts kassiert wurde, urteilen Juristen wie Joaquín Mejía und Víctor Fernández. Letzterer ist der Anwalt der Familie von Berta Cáceres. Die Umweltaktivistin wurde 2016 von Auftragskillern ermordet, weil sie den Widerstand gegen das Agua-Zarca-Staudamm-Projekt am Río Gualcarque angeführt hatte.
Das spektakuläre Vorgehen der Richter*innen des Verfassungsgerichts sei nicht mehr als der Versuch, auf Distanz zu JOH zu gehen. Das ist nicht nur in der Justiz zu beobachten, sondern auch in Militär und Polizei. Die als sicher geltende Auslieferung des 53-jährigen Ex-Präsidenten, dessen Bruder Antonio Hernández im März 2021 wegen Drogenschmuggel und Mord zu einer lebenslangen Haftstrafe von einem US-Gericht verurteilt wurde, könnte diese Entwicklung verstärken. Für Honduras wäre das ein Schritt auf dem Weg zurück zur Demokratie.
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