Geschichte und Gegenwart verbinden

Berliner NS-Dokumentationszentren beschäftigen sich 2022 mit Kontinuitäten im Rechtsextremismus

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Darstellung von Nationalsozialismus und Rechtsextremismus aus Täterperspektive prägen die Dokumentationszentren Topographie des Terrors und NS-Zwangsarbeit. In diesem Jahr wollen die beiden Museen neue Forschungserkenntnisse vermitteln, Bezüge zur Gegenwart herstellen und digitale Angebote ausweiten, wie die Stiftung Topographie des Terrors nun angekündigt hat.

So wird am Dokumentationszentrum an der Niederkirchnerstraße am 11. Mai eine Wanderausstellung über die Nachkriegskarriere von NS-Rüstungsminister Albert Speer eröffnet, die bis zum 25. September laufen soll. »Albert Speer hat erfolgreich an der Legende gearbeitet, er sei in der NS-Zeit nur Architekt gewesen, dabei war er maßgeblich an der Judenvernichtung und Ausbeutung von Zwangsarbeitern beteiligt«, sagt Stiftungsdirektorin Andrea Riedle. Solche Mythen seien auch heute noch zu beobachten. »Man sei eigentlich nicht rechtsextrem, äußert sich aber so«, sagt Riedle. Begleitet werde die Ausstellung unter anderem von einer Veranstaltung zum Thema Legendenbildung.

Im kommenden Jahr, ab dem 26. April 2023, wird schließlich eine große Sonderausstellung zum Hausgefängnis in der Gestapo-Zentrale zu sehen sein, in dem von 1933 bis 1945 etwa 15 000 politische Gefangene inhaftiert waren. Vor Jahren habe es dazu bereits eine Ausstellung gegeben, aber »inzwischen wissen wir mehr über die Täter und das Gefängnis«, sagt Riedle. Zudem werden interaktive Modelle und Filme integriert.

Nach der aktuellen Veranstaltungsreihe »Alltag unter deutscher Besatzung in Europa 1939–1945«, die mit einem Vortrag am 22. Februar endet, soll eine Reihe zum Themenfeld »Rechtsextremismus in Vergangenheit und Gegenwart« in Kooperation mit dem Moses-Mendelssohn-Zentrum in Potsdam starten. Dabei sollen Kontinuitäten rechtsextremer Ideologien sichtbar gemacht werden. »Wir haben auch heute noch massive Probleme mit Rechtsextremismus«, sagt die Direktorin mit Verweis auf die AfD und die Verbreitung rechter Einstellungen im Internet.

Die Veranstaltungen finden seit Beginn der Pandemie teils als Livestream statt, anschließend sind die Videos auf der Website abrufbar, wodurch das Publikum erweitert worden sei. Während die Besucher*innenzahlen aufgrund der monatelangen Schließung 2021 auf 537.000 sanken (2019 waren es noch 1,3 Millionen), seien online Zugriffszahlen im drei- bis vierstelligen Bereich pro Veranstaltung erreicht worden.

Auch das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Schöneweide ist verstärkt auf Online-Formate umgestiegen. Unter anderem soll im Rahmen der Reihe »NS-Zwangsarbeit vor unserer Haustür« in jedem Monat dieses Jahres Zwangsarbeit in einem der zwölf Berliner Bezirke thematisiert werden. Mit dem Kulturzentrum Spreehalle sei außerdem das Sonderprojekt »Menschliche Ware« geplant. Hier sollen per App und Website 100 Orte der NS-Zwangsarbeit mit Erinnerungsberichten und Tondokumenten, also »die reale mit der digitalen Welt verbunden« werden, sagt Christine Glauning, Leiterin des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit.

In Schöneweide endet am 1. Mai aber zunächst die Ausstellung »Im Schatten von Auschwitz. Spurensuche in Polen, Belarus und der Ukraine«. Es folgt von Juni bis September die Ausstellung »Luise. Archäologie eines Unrechts«, die Bilder des Fotografen Stefan Weger zeigt. Er beschäftigt sich mit der Geschichte seiner Urgroßmutter, die 1941 einen polnischen Zwangsarbeiter der Brandstiftung beschuldigte, woraufhin dieser hingerichtet wurde. Im Anschluss soll die Eigenproduktion »In den Händen des Feindes. Französische Kriegsgefangene im Lager Lichterfelde« folgen. Diese solle auch den aktuellen Konflikt zwischen Neubauplänen und dem Erhalt zweier Baracken als Erinnerungsort widerspiegeln. »Eine Bürgerinitiative hat hier den Denkmalschutz erstritten«, erklärt Glauning.

Andrea Riedle und Christine Glauning kündigen derweil Sanierungsmaßnahmen in beiden Dokumentationszentren an: Der Küchenkeller der Topographie des Terrors, einst Verpflegungsbaracke für den Stab von SS-Reichsführer Heinrich Himmler, sei in sehr schlechtem Zustand, solle gesichert und für Besucher*innen zugänglich gemacht werden. Und im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit werden die letzten eineinhalb noch nicht sanierten Baracken wieder hergerichtet.

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