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  • Olympische Winterspiele in China

Marketing in der »Unruheprovinz« Xinjiang

Die eigentlich autonome Region ist stark mit den Menschenrechtsverbrechen in China verknüpft - und wird nun als Wintersportparadies vermarktet

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.
Mitten im Nirgendwo: Wie hier mit dem »Oynak Ski Resort« versucht China mit einigen anderen weißen Flecken in der Region Xinjiang, die Heimat der unterdrückten Uiguren in seinem Sinne zu vermarkten.
Mitten im Nirgendwo: Wie hier mit dem »Oynak Ski Resort« versucht China mit einigen anderen weißen Flecken in der Region Xinjiang, die Heimat der unterdrückten Uiguren in seinem Sinne zu vermarkten.

Der 54-jährige Huang Kezhong ist sichtlich stolz. Sein ganzes Leben lang hat sich der Chinese dem Wintersport verschrieben, unter anderem als Jurymitglied bei Skisprungwettbewerben. Vor fünf Jahren Jahren schließlich ließ er sich mit seiner Familie in Xinjiang nieder, um dort das »Koktokay International Ski Resort« aufzubauen. 27 Pisten und fünf Gondellifte stehen mittlerweile im Altay-Hochgebirge, nicht weit entfernt von der mongolischen Grenze. »Man könnte denken, dass ich angebe, aber ich glaube tatsächlich, dass das Skiressort hier in Koktokay das beste in China ist, wenn nicht gar in ganz Asien«, erzählte Huang Kezhong in einem kürzlich ausgestrahlten Beitrag des chinesischen Staatsfernsehens.

Und in der Tat bietet Xinjiang, die auf dem Papier autonome Region der Uiguren, klimatisch hervorragende Voraussetzungen für Wintersport: Im Gegensatz zu den Bergen im Pekinger Umland gibt es hier genügend Naturschnee und auch die Temperaturen sind deutlich moderater. Dementsprechend logisch erscheint es, dass die Regierung die Gegend im Nordwesten des Landes als Skiparadies vermarktet. Über 70 Resorts soll es hier bereits geben. Sie alle hoffen auf den Boom, den Staatschef Xi Jinping versprochen hat: Rund 300 Millionen Chinesen sollen zu Wintersportfans gemacht werden, in drei Jahren möchte man der weltweit größte Markt für die Branche sein.

Für internationale Experten stellen die chinesischen Marketingbemühungen in Xinjiang vor allem einen zynischen Versuch dar, die Region von den drastischen Menschenrechtsverbrechen reinzuwaschen. Denn genau dort haben die Sicherheitsbehörden in den vergangenen acht Jahren sukzessive einen offenen Polizeistaat aufgebaut, der sich gegen die dort beheimateten Uiguren richtet - einem Turkvolk mit vorrangig muslimischem Glauben.

Seit der Jahrtausendwende gibt es unter einigen von ihnen separatistische Radikalisierungsbewegungen. Die Kommunistische Partei unter Führung von Staatschef Xi Jinping hat mit dem sprichwörtlichen Vorschlaghammer reagiert: Laut Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen sind Hunderttausende, möglicherweise über eine Millionen Uiguren in politische Umerziehungslager gesteckt worden, wo den Insassen laut Zeugenberichten körperliche Folter und ideologische Gehirnwäsche droht. Wie aus geleakten Dokumenten hervorgeht, reichen dabei bereits harmlose »Vergehen«, um in die Lager gesteckt zu werden - etwa Anrufe aus dem Ausland oder der Besitz eines Korans. Zuletzt haben immer mehr ausländische Regierungen das Vorgehen gegen die Uiguren als »kulturellen Genozid« bezeichnet.

Auch im Altay-Gebirge, wo sich das »Koktokay International Ski Resort« befindet, gibt es laut Recherchen der australischen Denkfabrik »ASPI« mindestens ein Dutzend solcher Straflager. Diese sind durch gewöhnliche Satellitenbilder sehr gut dokumentiert. Im chinesischen Diskurs hingegen handelt es sich dabei jedoch nur um »Erfindungen westlicher Medien« - die Gefängnisse werden als »Ausbildungszentren« zur Deradikalisierung beschrieben.

Im Zuge dieser Olympischen Winterspiele versucht die Regierung nun weiter von den Menschenrechtsverbrechen in der Provinz abzulenken. Während der Fackelzeremonie trug unter anderem eine uigurische Skilangläuferin die Olympische Flamme, ihr sinisierter Name lautet Dinigeer Yilamujiang. Die Wahl der sportlich durchschnittlichen Athletin, die entgegen der Konventionen für Interviews während der Winterspiele nicht zur Verfügung stand, wird von vielen Aktivistengruppen als Machtdemonstration gedeutet. Die Botschaft dahinter lautet: Chinas 56 Ethnien leben gemeinsam in glücklicher Harmonie, auch die Uiguren prosperieren unter der Führung der Kommunistischen Partei.

In dieselbe Kerbe schlägt nun auch die Marketingkampagne von Xinjiang als Wintersportparadies. Die staatlich kontrollierten Medien haben zuletzt gar behauptet, dass die Region der wahre Geburtsort fürs Skifahren sei. Forscher hätten im Altay-Gebirge Höhlenzeichnungen gefunden, die belegen, dass auf dem heute chinesischen Staatsgebiet Menschen schon vor 10 000 Jahren auf zwei Brettern durch den Schnee gedüst sind. Wissenschaftlich sind solche Aussagen keineswegs haltbar. Doch ideologisch passen sie ins geschönte Bild, das die Kommunistische Partei von ihrer »Unruheprovinz« vermitteln will.

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