Für eine neutrale Zone

Russland steht ein Sicherheitskorridor zu, findet Daniel Lücking

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Die ersten Wochen des neuen Jahres fühlen sich an, als hätte jemand eine Zeitmaschine angeworfen. Truppenaufmärsche, Blockkonfrontation und zwischenzeitlich sogar ein fast schon ausgemachtes Datum für den Dritten Weltkrieg.

Was Pershing-Raketen in den 80ern nicht geschafft haben, soll nun im 21. Jahrhundert bittere Realität werden? Längst müsste allen beteiligten Nationen klar sein, dass Kriege um Territorien nicht zu gewinnen sind. Längst müsste klar sein, dass Handelssanktionen härter treffen als jeder Beschuss mit Mörsern und Granaten. Und doch wirkt es, als gäbe es tatsächlich die Absicht, wieder einmal so zu Werke zu gehen.

Dass sich Deutschland mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Position in der Verhandlerrolle ausgesucht hat, ist zu begrüßen, wenn auch mehr Rückendeckung einer geschlossen auftretenden europäischen Staatengemeinschaft nötig wäre. Die Verlierer eines dritten Weltkrieges dürften schließlich in allererster Linie auf dem kontinentaleuropäischen Boden und insbesondere in den Staaten des Baltikums und der Ukraine liegen.
Die Gespräche mit Russland waren so überfällig, wie die Fronten verhärtet sind. Zu Recht gibt es in Russland kein Vertrauen, dass eine sich immer weiter ausdehnende Nato keine Bedrohung darstellt. Zu Recht gibt es aber auch kein Vertrauen dahingehend, dass Russland keine militärischen Aktionen unternimmt. Zu einer Lösung des Konfliktes gelangen die Blockmächte des 21. Jahrhunderts so allerdings auch nicht.

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Wünschenswert wäre, dass das wechselseitig vorhandene Bedrohungspotenzial ernst genommen wird, ohne zu kriegerischen Handlungen überzugehen. Dazu gehört seitens der Nato auch die Anerkennung, dass eine Integration der direkten Anrainerstaaten Russlands nicht in Frage kommen darf.

Die Lösung könnte in einer neutralen Zone liegen, in der die Staaten gleichermaßen dadurch vom Schutz der Blockmächte profitieren, die explizit keine Ausdehnung anstreben. Militärbeobachtermissionen der UN, die von russischen, wie von Nato-Vertretern gestellt werden, müssten in diesen Zonen präsent sein.

Zwingend muss auch eine strikte Begrenzung des Exports von Rüstungsgütern in diese neutralen Zonen sein. Besser noch wäre die Frage zu klären, wem ernsthaft an kriegerischen Auseinandersetzungen gelegen sein kann. In jedem Fall muss am Verhandlungstisch wieder über Abrüstung geredet werden.

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Absehbar werden die Auswirkungen des Klimawandels und die damit zunehmenden Extremwetterereignisse in allen Ländern zu Schäden führen, die sonst nur durch konventionelle Kriegshandlungen verursacht wurden. Landesverteidigung wird künftig umfassen müssen, auf die Folgen dieser Extremereignisse schnell zu reagieren und Hilfen bereit zu stellen. Haubitzen, Kampfpanzer, Kalaschnikows und G36-Sturmgewehre reparieren keine unterspülten Energietrassen und Verkehrswege. Wo sonst, wenn nicht im aktuellen Konfliktgebiet, sollte das Umdenken beginnen?

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