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Die Rückkehr der Anwesenheitspflicht
Bildungsverwaltung, Grüne und Gewerkschaft plädieren für ein Ende der Aussetzung der Präsenzpflicht an Berlins Schulen
Das Ende der ausgesetzten Präsenzpflicht an Berlins Schulen rückt näher. Eine Entscheidung hierüber werde in den nächsten Tagen fallen, heißt es aus dem Haus von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) auf nd-Nachfrage. Derzeit ist es Eltern erlaubt, ihre Kinder angesichts der Infektionslage von der Anwesenheitspflicht in den Klassenzimmern zu befreien. Die Regelung ist vorerst bis zum 28. Februar befristet. Es gilt aber als höchst unwahrscheinlich, dass sie verlängert wird.
Zu auffällig oft hatte Busse in den vergangenen Tagen betont, dass sie in der Aussetzung der Präsenzpflicht vorrangig ein Problem sieht. Nach nicht mehr ganz taufrischen Angaben der Bildungsverwaltung sollen vor gut einer Woche an den öffentlichen Schulen 4,69 Prozent aller Schüler aufgrund der Ausnahmeregelung zu Hause geblieben sein, wobei der Anteil unter den Berufsschülern 7,37 Prozent betragen haben soll. Erst am Donnerstag wiederholte die Senatorin im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses erneut ihre bereits bekannte Position: »Ich möchte nur so lange es nötig ist, an der ausgesetzten Präsenzpflicht festhalten«, sagte Busse, wobei sie zugleich mehrfach darauf verwies, dass die Infektionszahlen an den Schulen rückläufig seien.
Als die Regelung im Januar eingeführt worden war, hieß es noch, man wolle hiermit besorgten Eltern und Schülern entgegenkommen. Davon ist inzwischen keine Rede mehr. Stattdessen steht »das Problem« der »leicht überdurchschnittlichen« Inanspruchnahme durch Berufsschüler im Fokus der Bildungssenatorin.
Claudia Engelmann von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus kann der Wiedereinführung der Präsenzpflicht angesichts der nach wie vor hohen Infektionszahlen »zum jetzigen Zeitpunkt« überhaupt nichts abgewinnen. Das eigentliche Problem, so die Bildungspolitikerin zu »nd«, sei doch, dass für die Schüler zu Hause kein digital gestützter Distanzunterricht angeboten werde. »Das muss sich ändern, nicht die Präsenzpflichtregelung. Ich finde, dass wir nichts zu verlieren haben, wenn die Präsenzpflicht noch bis zu den Osterferien im April ausgesetzt bleibt.«
Die Linke steht mit diesem Wunsch freilich allein auf weiter Flur. »Zu der Präsenzpflicht kann ich es mir nicht verkneifen, zu sagen: Vielleicht war es keine gute Idee, die auszusetzen«, erklärte im Bildungsausschuss etwa die Fachsprecherin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz. »Das muss, so schnell es geht auslaufen«, so die Bildungspolitikerin.
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die die Präsenzpflichtaussetzung von Anfang an als Mehrbelastung für die Lehrkräfte kritisiert hatte, weint der Regelung keine Träne nach. Berlins GEW-Chef Tom Erdmann sagt zu »nd«: »Es haben ja nicht mal allzu viele Familien davon Gebrauch gemacht, und hier kennen wir dann wiederum Fälle von Kindern, die eigentlich dringend auf den Schulbesuch angewiesen sind.« Fälle von Kindern und Jugendlichen also, die die Aussetzung der Präsenzpflicht als Möglichkeit zum unkomplizierten Schulschwänzen begreifen würden.
»Man hat erkannt, wo die Nachteile liegen«, sagt Landeselternsprecher Norman Heise zu »nd«. Auch Heise ist davon überzeugt, dass die Bildungsverwaltung die temporäre Maßnahme nicht weiter verlängert: »Dem Landeselternausschuss wäre es aber lieb, wenn es darüber hinaus die Möglichkeit gibt, die Präsenzpflicht über einen Antrag der Eltern und eine Entscheidung durch die Schule nach nachvollziehbaren Kriterien und ohne so hohe Hürden wie zuvor auszusetzen.«
Während in der Präsenzpflichtfrage die Meinungen auseinandergehen, ist man sich bei einer anderen aktuellen Debatte weitgehend einig: Eine in der vergangenen Woche von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) angekündigte Lockerung der Maskenpflicht an den Schulen käme aktuell definitiv zur Unzeit.
»Das kommt zu früh, und ich verstehe die Diskussion auch nicht«, sagt etwa Gudrun Widders, Amtsärztin von Spandau, zu »nd«. Sicher, man sehe sinkende Inzidenzen. Aber daraus solle man nicht wie Giffey voreilig schließen, »dass wir bald aus dem Schneider sind«, so Widders weiter. »Wenn wir mit Omikron durch sind, sind wir noch lange nicht mit der Pandemie durch.« Zumal derzeit nur noch per PCR-Test bestätigte Fälle in die Inzidenzberechnungen einfließen, die Schnelltests an den Schulen hingegen nicht. »Wir haben eine Dunkelziffer, die wir nicht erfassen.«
Ähnlich fällt die Reaktion bei der GEW aus. »Jede und jeder weiß, dass die Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind. Wir können schon deshalb überhaupt nicht erkennen, dass es jetzt an der Zeit sein soll, über Lockerungsübungen an den Schulen zu sprechen«, sagt GEW-Chef Erdmann. Bevor man beim Infektionsgeschehen nicht »erkennbar überm Berg« sei, dürfe an der Maskenpflicht nicht gerüttelt werden. »Die Diskussion, die hierüber in der Öffentlichkeit geführt wird, spiegelt auch überhaupt nicht die Stimmung in den Kollegien wider«, erklärt Erdmann.
Kopfschütteln herrscht auch bei der Linksfraktion. So sagt Claudia Engelmann schon mit Blick auf das Ende der Aussetzung der Präsenzpflicht: »Wenn wir schon auf volle Fahrt in den Schulbetrieb gehen sollen, kann es ja nicht sein, dass gleichzeitig die Maskenpflicht aufgehoben wird.«
Die Bildungsverwaltung bemüht sich derweil, die von Franziska Giffey losgetretene Debatte etwas einzufangen. Man stünde hinsichtlich etwaiger Aufweichungen der aktuellen Schutzmaßnahmen an den Schulen erst »ganz am Anfang der Debatte«, sagt Sprecher Martin Klesmann zu »nd«. Man werde hierzu natürlich »in den Austausch gehen«. Aber: »Dafür muss man sich Zeit nehmen.«
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