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Kein Papiertiger
Der finnische Zelluloseriese UPM wird seit Wochen bestreikt, da er einen Konzerntarifvertrag verweigert
Seit dem 1. Januar befinden sich 2200 Arbeiter des Papierherstellers UPM-Kymmene Oyj an mehreren Standorten in Finnland im Streik. Grund für den Arbeitskampf der Branchengewerkschaft Paperiliitto sind Vorbedingungen der Konzernleitung für den Beginn von Tarifverhandlungen.
Eigentlich sollen in Finnland Tarifverträge zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt werden, die für die gesamte Branche Geltung haben. Im Falle der mächtigen Forst- und Papierindustrie ist man im Sommer 2020 aus diesem System ausgestiegen. Die großen Unternehmen Stora Enso und Metsä Group verhandelten daraufhin mit Paperiliitto direkt und schlossen eigene Tarifverträge für ihre Beschäftigten ab.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Der Branchenriese UPM verweigerte sich allerdings diesem Vorgehen und forderte, dass für die fünf unterschiedlichen Unternehmensbereiche separate Tarifverträge abgeschlossen werden sollen. Dadurch wäre die Verhandlungsmacht der Gewerkschaft erheblich verringert. Zudem drängt man auf Arbeitszeitverlängerungen, die faktisch einer Lohnkürzung gleichkämen. Der Streik, der in seine achte Woche gegangen ist, wird mittlerweile auch in anderen Branchen wie der Logistik solidarisch unterstützt. So wurden seit Ende Januar Produkte von UPM von Hafenarbeitern nicht verladen.
Das Vorgehen des Unternehmens stößt auch in der Politik auf Kritik: »Mit dem Versuch, fünf verschiedene Tarifverträge anstatt eines konzernübergreifenden Vertrags abzuschließen, versucht UPM, die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer zu schwächen«, kommentiert die Vorsitzende der Linksjugend Vasemmistonuoret, Pinja Vuorinen, gegenüber »nd«. »Die Abneigung der Arbeitgeber, jetzt in Verhandlungen zu treten, zeigt das Bestreben, das gesamte System der Tarifverträge auszuhöhlen.«
Der Chef des Gewerkschaftsverbandes SAK, Jarkko Eloranta, spricht sogar von einem »Arbeitsmarktkreuzzug«, dem sich die Eigentümer von UPM verweigern sollten. Das Unternehmen habe keine wirtschaftlichen Beweggründe, sondern rein ideologische.
Mit einem Jahresumsatz von über 8,5 Milliarden Euro (2020) gilt UPM als größter Papierproduzent Europas. Die Firma hat sich auch auf Veredlungs- und Spezialpapiere etwa für den Etikettendruck spezialisiert. Europaweit werden 40 Prozent aller Produktetiketten auf Papier von UPM bedruckt.
Papier war in Europa bereits vor den Arbeitskämpfen bei UPM teuer und teils schwer verfügbar. Grund dafür sind die gestiegenen Energiepreise in Logistik und Produktion, die Verteuerung der Grundrohstoffe und die geringe Verfügbarkeit von wiederverwertbarem Altpapier. Zudem führte der seit 15 Jahren laufende Rückgang von Druckprodukten zu einer Produktionsverschiebung: Die großen Firmen in der Papier- und Zellstoffwirtschaft stellen weniger Druckpapier her. In Finnland schloss im Herbst 2020 in Kaipola die letzte Fabrik, die noch Zeitungspapier herstellte. Auch sie gehörte UPM. Mehr produziert werden dagegen jetzt Pappe und Zellstoffe. Kartonageprodukte sind wegen des Booms der Onlineversandhändler besonders gefragt.
Die Produktionsstopps bei UPM verschärfen jetzt noch die Probleme auf dem Zellulose- und Papiermarkt. Laut der britischen Zeitung »Financial Times« fürchten Hersteller von Etiketten in Europa, dass insbesondere Frischprodukte bald nicht mehr den Weg in die Regale finden werden, sollten die Engpässe anhalten. Die deutsche Computerzeitschrift »c’t« teilte kürzlich mit, sie kämpfe derzeit um Papier und könne nur von Ausgabe zu Ausgabe planen. In den USA müssen Drucker von Magazinen wie dem »Washington Examiner« auf anderes Papier umsteigen, weil aus Finnland kein passendes mehr kommt.
Der finnische Journalist Toivo Haimi fasste bereits Anfang Februar in der Zeitung »Le Monde Diplomatique« zusammen: »Wäre UPM dem Vorbild der Metsä Group und von Stora Enso gefolgt und hätte rechtzeitig eine eigene konzernweite Vereinbarung getroffen, würden die Zellstofffabriken und Papiermaschinen jetzt auf Hochtouren laufen. Und die Aktionäre der finnischen Papierindustrie könnten sich auf eine hohe Dividende freuen.«
Wie die Gewerkschaft Paperilitto jetzt mitteilte, haben mediierte Treffen bisher keine Ergebnisse gebracht. In dieser Woche sind weitere Zusammenkünfte beim staatlichen Schlichter vereinbart. Die Gewerkschaft hat angekündigt, bis zum 12. März die Arbeitsniederlegungen weiterzuführen, sollte der Konzern bis dahin nicht einlenken. Für diesen wird es mit der Zeit teuer: Laut Börsenanalysten kostet der Streik UPM wöchentlich über 20 Millionen Euro.
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