Juristische Ohrfeige für Spanien

EuGH fordert, die Diskriminierung von Hausangestellten bei Sozialversicherungsansprüchen zu beenden

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Die sozialdemokratische Regierung in Spanien hat Glück, dass der russische Angriff auf die Ukraine eine schallende Ohrfeige vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überlagert. Denn in Luxemburg wurde am Donnerstag geurteilt, dass Spanien etwa eine halbe Million Hausangestellte diskriminiert, indem ihnen der Zugang zur Arbeitslosenversicherung verweigert wird. Das ist für die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (PSOE) und der Linkskoalition »Unidas Podemos« (UP) peinlich, die sich die Verteidigung von Arbeitnehmerrechten und besonders die von Frauenrechten auf die Fahnen geschrieben hat.

Bei Hausangestellten handele es sich »fast ausschließlich um Frauen«, stellte der EuGH in einer Presseerklärung zu seinem Urteil fest. Laut Schätzung sind es rund 95 Prozent. Ihre Ausgrenzung stelle »eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar und ist nicht durch legitime Ziele gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben«. Die spanische Regelung sei nicht mit EU-Recht vereinbar - dies wäre nur dann möglich, wenn sie durch nicht diskriminierende Gründe gerechtfertigt werde.

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Geklagt hatte eine Haushaltshilfe im nordwestspanischen Vigo. Ihr Anwalt Javier de Cominges hatte stets von einem »klaren Beispiel von Diskriminierung« gesprochen. Der Klägerin war der Zugang zur Sozialversicherungskasse TGSS verweigert worden, obwohl ihr Arbeitgeber sogar bereit war, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen. Doch die TGSS lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Sonderregelung im Sozialversicherungssystem für Hausangestellte keinen Schutz bei Arbeitslosigkeit vorsehe.

Die Frau aus Vigo klagte vor dem Verwaltungsgericht der galizischen Stadt und machte geltend, dass Hausangestellte, die ihre Anstellung unverschuldet verlieren, in eine soziale Notlage gerieten. Sie hätten dann nicht nur keinen Zugang zu Arbeitslosengeld, sondern auch keinen Anspruch auf andere Hilfen, die damit in Zusammenhang stünden. Für Hausangestellte werden nämlich auch keine Beiträge in den Fonds zur Absicherung von Gehältern eingezahlt. Der springt ein, wenn Arbeitgeber ausstehende Löhne nicht mehr bezahlen können. Auch in dieser Frage werden die »Chachas, wie sie abfällig in Spanien genannt werden, benachteiligt. Es kann der Arbeitgeber plötzlich versterben, womit Lohnzahlungen offenbleiben und sofort Arbeitslosigkeit entsteht. Ohnehin ist der Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung für Hausangestellte nur unwesentlich niedriger, statt 23,6 beträgt er nur 22,1 Prozent. Damit, so die Klägerin, könnten die sehr unterschiedlichen Rechte nicht begründet werden.

Spanien rechtfertigte seine Sonderregelung damit, dass es sich um keine «gewerbsmäßigen Arbeitgeber» handele. Argumentiert wurde auch mit der Vermutung eines hohen Betrugsaufkommens beim Zugang zu Sozialleistungen. Diese Argumentation hat laut Kritikern eine rassistische Komponente, denn es handelt sich bei Hausangestellten oft um Einwanderer. Darüber hinaus argumentierte die Regierung, die höheren Beitragskosten, die der Zugang zu Arbeitslosengeld mit sich bringen würde, könnten zur Zunahme der Schattenwirtschaft führen.

Das ist angesichts der geringen Zusatzkosten unwahrscheinlich. Wer Sozialabgaben sparen will, meldet die Angestellten schlicht nicht an. Der EuGH hält die Bekämpfung von Sozialbetrug zwar für legitim, stellt aber fest, «dass die spanische Regelung zur Erreichung dieser Ziele nicht geeignet ist, da sie im Hinblick auf diese Ziele nicht kohärent und systematisch angewandt wird». Vergleichbare Berufsgruppen fallen nicht unter die Sonderregelung - sie gilt allein für Hausangestellte.

Glücklicherweise legte das Gericht in Vigo den Fall dem EuGH in Luxemburg vor, womit der Gerichtsweg verkürzt wurde. Die Zweite Kammer hatte eine Auslegung des Falles in Bezug auf die Richtlinie zur Gleichbehandlung erbeten, da schon in Galizien eine Geschlechterdiskriminierung angenommen wurde. Ansonsten hätte der spanische Klageweg bis zu höchsten Gerichten eine Entscheidung um viele Jahre verschoben. Jetzt muss mit dem Urteil aus Luxemburg das zuständige Gericht in Vigo erneut entscheiden. Da das Verwaltungsgericht an die Rechtsauslegung des EuGH gebunden ist, ist mit einer positiven Entscheidung für die Klägerin zu rechnen.

Die Frage ist, ob die selbst ernannte «progressivste» Regierung Spaniens diese Diskriminierung per Gesetz nun endlich abstellt oder die Frauen jeweils einzeln auf einen langen Klageweg geschickt werden. Zwar war die Regelung von den konservativen Vorgängern eingeführt worden, doch, statt sie abzuschaffen, wurde sie in Luxemburg sogar noch verteidigt.

Was die Umsetzung ihrer Versprechen für den Niedriglohnsektor angeht, ist die Regierung auch sonst zurückhaltend. Anders als im Fall der Lieferdienstfahrer kann die Linkskoalition UP gegenüber den bremsenden Sozialdemokraten jetzt aber auf ein bindendes EuGH-Urteil verweisen. Versprochen war auch da eine umfassende Regulierung von digitalen Plattformen, am Ende reichte es nur zu einer begrenzten Verbesserung.

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