Ampel erntet für Entlastungspaket viel Kritik

Koalition aus SPD, Grünen und FDP bringt Maßnahmen gegen hohe Energiepreise auf den Weg

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Berlin. Das geplante Entlastungspaket der Bundesregierung als Ausgleich für gestiegene Energiepreise ist auf viel Kritik gestoßen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband bemängelte, es sei sozial ungerecht. Ähnlich äußerte sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Auch die Opposition im Bundestag sprach von unzureichenden Maßnahmen.

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich am Mittwochabend darauf verständigt, die Ökostrom-Umlage, die bislang Teil des Strompreises ist, bereits im Juli abzuschaffen. Die Pendlerpauschale soll rückwirkend zum 1. Januar ab dem 21. Kilometer angehoben werden. Der Arbeitnehmerpauschbetrag bei der Einkommensteuer wird um 200 Euro auf 1200 Euro erhöht. Von Armut betroffene Kinder sollen wegen der hohen Energiepreise einen Sofortzuschlag von 20 Euro pro Monat ab dem 1. Juli erhalten. Bezieher von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung und Sozialhilfe sollen einen einmaligen Zuschuss von 100 Euro bekommen.

CDU und CSU bezeichneten die Beschlüsse als ungenügend. »Auch nach dem Beschluss der Koalition verdient der Staat über Steuern und Zertifikate mehr an den sprunghaft gestiegenen Energiepreisen, als die Ampel jetzt zur Entlastung zurückgeben will«, kritisierte der Energieexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Jung (CDU). »Um Bürgerinnen, Bürger und Betriebe wirksam zu entlasten, müssen deshalb weitere Abgaben reduziert werden: Stromsteuer, Netzentgelte und die Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Fernwärme.«

Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Abschaffung der EEG-Umlage sei ein zu kleiner Baustein, kritisierte er. »Der Bund muss an die Steuern ran.« Bei der Pendlerpauschale bleibe nach den Ampel-Beschlüssen nur eine Mini-Entlastung für Fernpendler.

»Das ist ein fatales Ergebnis«, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, der Deutschen Presse-Agentur: »Statt zielgenauer Unterstützung für die, die es wirklich brauchen, wird das Geld mit der Gießkanne ausgeschüttet. Profitieren tun die Haushalte mit dem größten Portemonnaie und dem höchsten Stromverbrauch. Hartz-IV-Beziehende bleiben mit einer völlig unzureichenden Zahlung von einmalig 100 Euro wieder mal auf der Strecke.« Das Ergebnis des Koalitionsausschusses sei weder ökologisch zielführend noch haushaltspolitisch vernünftig und erst recht nicht sozial.

Linke-Vorstandsmitglied Maximilian Becker nannte das Entlastungspaket »ein sozial- und klimapolitisches Armutszeugnis«. Es werde die besonders betroffenen Menschen nicht von den gestiegenen Energiepreisen entlasten. »Denn während arme Menschen einen Einmalzuschuss von gerade einmal 100 Euro bekommen, können sich Gutverdiener durch die Erhöhung der Pendlerpauschale über einige Hundert Euro mehr im Geldbeutel freuen. Die Managerin wird vom Entlastungspaket der Ampel stärker profitieren als die pendelnde Krankenschwester«, bemängelte Becker.

Die Greenpeace-Verkehrsexpertin Marion Tiemann nannte die Erhöhung der Pendlerpauschale »das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit«. Davon profitierten in der Regel am meisten Menschen aus der Vorstadt oder dem Umland, die lange Arbeitswege zu überdurchschnittlich bezahlten Jobs zurücklegten. Um Haushalten mit niedrigen Einkommen zu helfen, »sollte die Bundesregierung stattdessen ausschließlich die Pauschale für Werbungskosten erhöhen«.

Auch bei Verbraucherschützern stößt das Entlastungspaket auf Kritik. Der Energie-experte Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale-Bundesverband bezeichnete die Maßnahmen als »halbherzig«. »Das Paket bringt natürlich schon Entlastungen, es ist aber insgesamt nur halbherzig, weil es die Preissteigerungen gerade für Menschen mit geringem Einkommen nicht annähernd ausgleicht«, sagte Engelke der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (NOZ). Der Verbraucherschützer kritisiert, dass insbesondere beim geplanten Wegfall der EEG-Umlage nicht festgeschrieben sei, dass die Entlastung in vollem Umfang an die Verbraucher zurückzugeben ist. »Das muss ganz klar gesetzlich festgeschrieben werden«, fordert Engelke. dpa/nd

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