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»Kaffeehandel nachhaltig gestalten«
Jens Klein fördert mit Café Chavalo den ökologischen Anbau und fairen Handel mit Kaffee aus Nicaragua
Trinken Sie viel Kaffee?
Jens Klein importiert mit Café Chavalo seit 2015 ökologischen Kaffee aus Nicaragua. Früher Journalist, hat er sich heute voll und ganz dem fairen Handel verschrieben. Aus zunächst einigen Kilo wurden mehrere Tonnen jährlich, die teils per Segelboot nach Europa transportiert werden. Und aus dem Einzelunternehmen ist eine Genossenschaft geworden.
Klein ist heute Vorstand der Café Chavalo eG und nach eigenen Angaben Hansdampf in allen Gassen: Mit mal mehr und mal weniger ausgeklügelten Ideen sorgt er dafür, dass es nie langweilig wird – und die Vision von Café Chavalo lebendig bleibt.
Ich bin kein quantitativer Kaffeetrinker, sondern trinke vielleicht zwei Tassen am Tag. Es gibt aber auch Tage ohne Kaffee. Es ist zum Teil auch unser Ziel bei Café Chavalo, Leute wieder zum Kaffeegenuss zu animieren: bewusst Kaffee zu kochen, ein Ritual daraus zu machen und herauszufinden, wie unterschiedlich der gleiche Kaffee schmecken kann, wenn ich ihn in der French Press mache, in der Filtermaschine oder im Siebträger.
Wie hat Ihre Liebe zum Kaffee begonnen?
(Lacht). Es war ehrlicherweise eher die Liebe zu den Produzenten als zum Kaffee. Besonders als ich nach Nicaragua gereist bin, Kooperativen besucht und Kaffeebauern kennengelernt habe, ist mir bewusst geworden ist, was alles in diesem Getränk steckt und was man bis dato wie selbstverständlich vor sich hin getrunken hat.
Wie kam es, dass Sie nach Nicaragua gereist sind?
Ich stamme aus Bitburg in der Eifel, bin also ein Bierkind und dementsprechend groß geworden: Ich bin katholisch getauft, war Messdiener und in Jugendgruppen aktiv. Die Idee des fairen Handels spielte früh eine Rolle in meinem Leben. Ich war in der Schule auch immer der mit den komischen Schokoladen, weil es selten lila Tafeln gab, sondern die von Gepa. Das Thema hat mich nie richtig losgelassen, beruflich bin ich aber erst mal in den Journalismus gegangen. Aber ich habe gemerkt, dass es mich nicht ausfüllt und ich dem fairen Handel mehr Raum geben will. Dann habe ich beschlossen, mein Volontariat bei der Badischen Zeitung in Freiburg vorzeitig zu beenden, eine Reise zu unternehmen und Kaffeeproduzenten vor Ort zu besuchen.
Und warum ausgerechnet in Nicaragua?
Das kam durch ein Gespräch mit meinem Vater. Meistens finden Väter das ja erst mal nicht so toll, wenn man sagt, ich schmeiße alles hin und mache etwas anderes. Aber er hat das recht schnell akzeptiert und meinte: »Ich weiß nicht was du vorhast, aber wenn du nach Nicaragua gehen willst, dann habe ich da noch einen alten Bekannten.« Ich hatte mich vorher noch nie richtig mit Nicaragua beschäftigt, war dann aber schnell Feuer und Flamme. Der Bekannte spielte später gar keine große Rolle mehr, aber es war dieses Vater-Sohn-Gespräch, das mich nach Nicaragua brachte.
Dort habe ich dann wirklich völlig unbedarft mit drei Wörtern Spanisch im Gepäck versucht, den Leuten zu erklären, dass Jens aus Deutschland vorbeikommen will, um über fairen Handel zu sprechen. Das hat zum einen alle irritiert, zum anderen aber dazu geführt, dass ich meistens zehn Minuten später den ersten Gesprächspartner hatte und spätestens einen Tag später irgendwo im Hinterland auf einer Kaffeefarm stand.
Sie konnten anfangs gar kein Spanisch?
In Freiburg hatte ich mit einem Kollegen zusammen angefangen, Spanisch zu lernen. Eine Stunde pro Woche, abends, bei einer Kolumbianerin. Ich hatte dort gerade so das Niveau erreicht, dass ich eine Vorstellungsrunde machen konnten. Nur mein Berufsleben hatte sich dann so geändert, dass dieser mühsam erlernte Part quasi unbrauchbar war. Die ersten Wochen in Nicaragua dort gingen also auch dafür drauf, einen Spanisch-Intensivkurs zu machen.
Wie ist schließlich Café Chavalo entstanden?
Alles was ich in Nicaragua gesehen habe, hat mich überzeugt. In dem Sinne, dass dort ein richtiger Weg eingeschlagen wurde, es aber bis zu wünschenswerten Bedingungen noch viel zu tun gibt. Daraus entstand Café Chavalo. Ich wollte für eine Kooperative, mit der ich damals etwas enger Kontakt aufgebaut hatte, den Absatzmarkt in Deutschland erweitern. Die haben damals schon exportiert, auch nach Deutschland, hatten aber das Problem, was die meisten Kaffee-Kooperativen haben: Sie konnten nur einen Teil ihrer Ernte zu besseren Bedingungen vermarkten und mussten den Rest, böse gesagt, verscherbeln.
Was sind denn bessere Bedingungen für Kaffee-Bäuer*innen?
Wenn man es auf das Preisthema beschränkt, dann sind die schlechteren Bedingungen die, bei denen man von der Entwicklung der Weltmarktpreise abhängig ist. Kaffee ist ja börsennotiert und den entsprechenden Mechanismen am Weltmarkt ausgeliefert. Der Preis hat ziemlich wenig damit zu tun, was die Kaffeeproduktion eigentlich kostet. Und dann hat man als Kleinbauer in der Regel keinen eigenen Zugang zum Weltmarkt und wird niemals diese Preise erlangen, sondern bekommt die Summe, die einem irgendein Zwischenhändler bezahlt, der auch noch etwas verdienen will.
Chafé Chavalo hat sich der Idee des fairen Handels verschrieben und ein festes Preismodell, bei dem der Preis nach unten gedeckelt ist. Es wird immer eine Summe gezahlt, von der alle Beteiligten ausgehen, dass sie für ein auskömmliches Leben reicht. Dazu kommen diverse Prämien: eine Bio-Prämie, eine Fairness-Prämie und bei uns gibt es noch eine Kooperativen-Prämie. So kommt man zu einem Preis X, mit dem die Bauern auf jeden Fall immer rechnen können. Sollte der Weltmarktpreis über diesen festgelegten Mindestpreis steigen, gilt der höhere Weltmarktpreis plus die vereinbarten Prämien.
War Ihnen von vorn herein klar, dass der Kaffee nicht nur fair, sondern auch ökologisch und nachhaltig produziert werden muss?
Für mich war das immer etwas, das nur Hand in Hand funktioniert. Wie will man faire Bedingungen schaffen, wenn man das auf Kosten der Umwelt macht? Das kann langfristig nicht funktionieren.
Reisen Sie oft nach Nicaragua?
Einmal im Jahr normalerweise. Vorletztes Jahr war Zwangspause, aber letztes Jahr im Juli hat es wieder geklappt, für zwei Wochen. Das war auch einer der wichtigsten Besuche, weil Corona natürlich auch dort für viel Sorge und Unsicherheit gesorgt hat. Viele Kooperativen haben zusammen mit NGOs oder ihren Partner erst mal Hilfsaktionen gestartet, bei denen zum Beispiel Hygienepakete gepackt und verteilt wurden.
Denken Sie manchmal über die Kolonialgeschichte des Kaffees nach und was das für Ihre Arbeit bedeutet?
Mir ist das Thema immer mal wieder begegnet, wenn ich mit kritischen Konsumenten zusammensaß und Leute getroffen haben, die nicht aus Geschmacks- oder Gesundheitsgründen den Kaffeekonsum ablehnen, sondern wegen dessen Vergangenheit. Arabica-Kaffee stammt aus Äthiopien und lange Zeit gab es den auch nur dort. Aber nördlich und südlich des Äquators gibt es den sogenannten Kaffee-Gürtel, in dem es gute Bedingungen für den Anbau gibt. Dort haben die Kolonialstaaten angefangen, Kaffee anzubauen. In der Regel als reines Exportprodukt. So begann der Siegeszug des Kaffees in die Welt. Das kann man natürlich kritisch sehen. Es ist auch heute so, dass du in großen Exportländern Leute triffst, deren Alltagskonsum darin besteht, Instant-Kaffee von Nestlé zu trinken, obwohl sie selbst die besten Bohnen produzieren.
Gleichzeitig sieht man, dass der Kaffeesektor in allen Ländern enorme Strukturen geschaffen hat, viele Menschen vom Anbau abhängig sind und man sich fragen muss, ob das ein Sektor ist, von dem man sich wegen seiner Anfänge und auch heutiger Strukturen verabschieden sollte. Oder kann man das System verbessern und so weiterentwickeln, dass es wirklich allen dient, die darin arbeiten? Das ist das, woran wir glauben. Es ist ein bisschen die Frage nach Revolution oder Reformation.
Chafé Chavalo bringt Kaffee auch mit Segelbooten nach Europa. Sind Sie schon mal mit gesegelt?
Leider nein, das ist ein großer Traum. Seit 2018 transportiert die Reederei Avontuur für uns Kaffee mit dem Segelboot. Aus zunächst zwei Tonnen sind mittlerweile 45 Tonnen geworden. Es wäre schön, mal einen kompletten Weg mitzumachen, dann ist man zwei, drei Monate unterwegs. Aber ich habe zwei kleine Kinder, insofern fällt das momentan schwer.
Ein Gegenmodell zum Kapitalismus - Sozial, ökologisch, feministisch - das Berliner Frauenzentrum Schokofabrik gilt als Beispiel für alternatives Wirtschaften.
Vor fünf Jahren haben Sie die Unternehmensform gewechselt. Warum ausgerechnet in eine Genossenschaft?
Diese Unternehmensform fand ich schon immer am zukunftsfähigsten. Es war also auch eine Entscheidung aus Idealismus. Mittlerweile hat es sich aber wieder und wieder als richtige Entscheidung bewahrheitet. Weil diese Unternehmensform ermöglicht, die beiden Kooperativen aus Nicaragua anders einzubinden: Beide sind Genossen, wodurch sich die vorherige Kunden-Lieferanten-Beziehung stark verändert hat und auch der Informationsfluss ein ganz anderer ist. Es sind nicht mehr nur wir als Einkäufer, die Informationen von ihnen abfragen, sondern die Kooperativen haben genauso Detaileinblick in das, was bei uns passiert. In Personalstrukturen, Gehaltsfragen, Ausgaben und Kapital.
Was sind neue Ideen oder Visionen für Café Chavalo?
Es ist die Anfangsvision, die uns immer wieder vorantreibt: den Kaffeehandel so zu gestalten, dass er ernsthaft nachhaltig ist. Der Begriff ist so ausgelutscht, aber wenn man ihn ernst nimmt, ist noch viel zu tun. Es kann nicht damit getan sein, Kaffee zu besseren Bedingungen einzukaufen, man muss sich die ganze Kette anschauen: den Transport, wo der Kaffee wie geröstet und verpackt wird, wo die Etiketten herkommen. Das sind alles Details, aber welche, an denen man noch drehen kann.
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