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Die Invasion trifft auch den Sport
Ukrainische Biathleten beenden die Saison, das Champions-League-Finale wird St. Petersburg entzogen. Das IOC gemahnt an Olympischen Frieden
Russlands Angriff bringt nicht nur Tod und Zerstörung in die Ukraine. Auch im internationalen Sport sorgt Putins Überfall auf sein westliches Nachbarland für ein gehöriges Durcheinander. Und neben all den Weltsportverbänden, die Putin so lange hofierten und nun zu klären haben, wie sie mit in der Ukraine oder Russland angesetzten Wettkämpfen umgehen wollen, leiden natürlich auch die Sportler unter dem Krieg, zuallererst die ukrainischen.
Am Donnerstagabend verkündeten beispielsweise die ukrainischen Biathletinnen und Biathleten ihr Saisonende: Das Team rund um Dmytro Pidrutschnyj, Verfolgungsweltmeister von 2019, wird wegen der Verhängung des Kriegsrechts das Training vorerst einstellen und nicht an den verbleibenden drei Weltcupwochenenden teilnehmen, teilte Lily Budsuljak, Chefin des Biathlon-Verbandes FBU, auf Facebook mit.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Eine wichtige Rolle dabei spielt sicherlich die Generalmobilmachung, die die Ukraine in der Nacht zu Freitag verkündet hatte: Allen Reservisten und Wehrpflichtigen zwischen 18 und 60 Jahren ist es nun untersagt, das Land zu verlassen. Das gilt selbstverständlich auch für Sportler. Womöglich werden nun die Skijäger am Gewehr für die Landesverteidigung eingesetzt. Die Boxweltmeister Witali und Wladimir Klitschko kündigten in einer Videobotschaft aus Kiew an, sie würden im Fall der Fälle zu den Waffen greifen.
Derweil richtet sich die internationale Aufmerksamkeit in Sachen Sport wie gewohnt auf den Fußball, dessen Weltverband Fifa 2018 die Weltmeisterschaft in Russland ausrichten ließ und nun im Spätherbst das Nachfolgeturnier in Katar austrägt. Bei den europäischen Playoffs auf dem Weg zu dieser WM 2022 wollen nun Polen, Tschechien und Schweden nicht wie angesetzt in Russland antreten. Am 24. März schon soll Polen in Moskau gegen Russland antreten, doch bis Freitagnachmittag drückte sich Fifa-Boss Gianni Infantino vor einer Verlegung: »Ich hoffe, dass die Situation bis dahin gelöst ist.«
Einer viel drängenderen Problemstellung entledigte sich hingegen die Europäische Fußball-Union (Uefa) am Freitagvormittag mit einem deutlichen Entschluss: Auf einer außerordentlichen Sitzung in Nyon entzog sie dem russischen Fußballverband das Finale der Champions League, das am 2. Mai in der St. Petersburger Gazprom-Arena ausgespielt werden sollte. Statt in Putins Heimatstadt wird das Endspiel des wichtigsten Vereinswettbewerbs der Welt nun im Stade de France ausgetragen - in der französischen Stadt Saint-Denis, einem nördlichen Vorort von Paris. Zudem sind russische und ukrainische Fußballklubs verpflichtet, ihre Heimspiele in Uefa-Wettbewerben »bis auf Weiteres« auf neutralem Boden auszutragen.
Etwas schwer tat sich die Uefa allerdings noch mit Antikriegsbekenntnissen der Spieler: Als sich am Donnerstagabend Kicker des SSC Neapel und des FC Barcelona bei einem Spiel in der Europa League in Neapel hinter einem »Stop War«-Plakat versammelten, zeigte die TV-Regie diese Szene nicht. Die Empörung im Internet war groß.
Sehr bedeckt hielt sich die Uefa auf ihrer außerordentlichen Sitzung auch hinsichtlich der Frage, wie man künftig mit dem Hauptsponsor Gazprom umzugehen gedenke. Der russische Staatskonzern ist bis 2024 ein Uefa-Großsponsor und würde damit auch bei der EM 2024 in Deutschland allerorts präsent sein. Hierzu fällte die Uefa am Freitag keine Entscheidung.
Fußballzweitligist Schalke 04 handelte in Sachen Gazprom etwas entschlossener. Die Profis des Gelsenkirchener Klubs werden am kommenden Zweitligaspieltag nicht mit dem Gazprom-Schriftzug auf ihrer Brust auflaufen. Ähnlich verhält sich auch der Volleyball-Bundesligist SSC Palmberg Schwerin und verzichtet vorerst auf Werbung für die Ostseegasleitung Nord Stream 2 auf dem Trikot seines Frauenteams. »Mit Rücksicht auf alle beteiligten Partner haben beide Parteien am Donnerstag verabredet, bis auf weiteres auf die Marken- und Unternehmenspräsenz von Nord Stream 2 in der Palmberg-Arena und auf dem Spieltrikot der 1. Bundesligamannschaft zu verzichten«, hieß es am Freitag in einer Erklärung des Vereins.
In Deutschland wird allenthalben auf den Krieg reagiert: Die Deutsche Fußball-Liga empfahl den Vereinen der 1. und 2. Bundesliga für alle Spiele eine Schweigeminute, selbiges riet der Deutsche Olympische Sportbund seinen 90 000 Vereinen für die nächsten Wettkämpfe an.
Die Absagewelle im Sport hat wohl erst begonnen: Am Freitag strich die Formel 1 den Grand Prix in Sotschi aus dem Rennkalender, wo er für den 25. September verzeichnet war. Und der Skiweltverband sagte am Freitag alle noch ausstehenden Weltcups in Russland ab - »im Interesse der Sicherheit aller Teilnehmer und zur Wahrung der Integrität des Weltcups«. Betroffen sind Skicrosser, Langläufer, Skispringer und Aerials-Starter, für die man nun Ausweichveranstaltungen organisieren will. Der Deutsche Skiverband hatte bereits am Donnerstagabend entschieden, seine Athleten nicht mehr in Russland oder der Ukraine starten zu lassen.
Harte Kritik an Russland kam auch vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC), das den Einmarsch der Russen in der Ukraine scharf verurteilte - als Bruch des Olympischen Friedens. Das IOC teilte mit, es sei »zutiefst besorgt« über die Sicherheit der olympischen Gemeinschaft in der Ukraine. Der sogenannte Olympische Frieden begann am 28. Januar, sieben Tage vor der Eröffnungsfeier der Winterspiele in Peking, und endet am 20. März, eine Woche nach dem Abschluss der Paralympics in China. Alle 193 UN-Mitglieder hatten am 2. Dezember die Resolution zum Olympischen Frieden verabschiedet, den es im antiken Olympia als Abmachung griechischer Stämme gegeben haben soll. Demnach ruhten vor 3000 Jahren die Waffen für die Spiele - drei Monate vor Beginn der Wettkämpfe bis zu dem Zeitpunkt, nachdem alle Athleten die Heimreise beendet hatten.
Rings um Olympia, wo 2022 wegen staatlich orchestrierten Dopings keine Flaggen und Hymnen Russlands erlaubt waren und nur ein Team Russisches Olympisches Komitee erlaubt war, hat Wladimir Putin nun bereits zum dritten Mal den Olympischen Frieden gebrochen. 2008 hatte Russland während der Sommerspiele von Peking mit Waffengewalt in den Georgien-Konflikt eingegriffen. 2014 annektierte Russland wenige Tage nach den Spielen von Sotschi die Krim.
In sechs Tagen sollen nun die Paralympischen Spiele in Peking beginnen. Präsident Andrew Parsons vom Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) sprach von einer »wirklich schrecklichen Situation« und großer Sorge um die Para-Athleten aus der Ukraine. Waleri Suschkewitsch, Präsident des ukrainischen Paralympischen Komitees, habe dem IPC am Donnerstag jedoch mitgeteilt, dass seine Athleten antreten möchten. »Aber das Team nach Peking zu bringen, wird eine riesige Herausforderung«, sagte Andrew Parsons.
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