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Die Achse des Guten

Die Fußballer des 1. FC Union haben Probleme, weil der Verein die Schattenseiten des Erfolgs spürt

Sonderlich besorgt wirkte Urs Fischer am Donnerstag nicht. Drei Spiele hintereinander zu verlieren, diese Situation kennt der Trainer des 1. FC Union. In ihrem ersten Bundesligajahr hatten die Berliner drei ähnliche Negativserien, eine davon mit vier Partien ohne Punktgewinn. Der 56-jährige Schweizer blieb damals besonnen und bewahrt auch in diesen Tagen die Ruhe. Dafür gibt es gute Gründe. Eine gewisse Ernüchterung wollte Fischer aber ebenso wenig leugnen. »Das hinterlässt natürlich Spuren«, sagte er mit Blick auf die jüngsten Niederlagen gegen Augsburg, Dortmund und Bielefeld.

Die deutlich gestiegene Erregung in der öffentlichen Betrachtung ist eng mit der sportlichen Entwicklung von Union verbunden. Als Aufsteiger hatte den Köpenicker Fußballern kaum jemand etwas zugetraut, da wurden Siege in der deutschen Eliteklasse noch als Überraschung gesehen. Etwas mehr als zweieinhalb Jahre und eine Qualifikation für die europäische Conference League später hat sich die Wahrnehmung geändert. Das Anspruchsdenken beim 1. FC Union nicht. Daran erinnerte Fischer fast schon beschwichtigend: »Wir haben ein Ziel, das bedeutet Klassenerhalt.« Große Sorgen bereitet der Blick auf die Tabelle dahingehend nicht - mit 34 Punkten nach 23 Spieltagen stehen die Berliner auf Platz neun.

Auch in der Analyse der letzten drei Spiele konnte Fischer nicht allzu Erschreckendes finden. Der Trainer stellte folgende Frage in den Medienraum: »Wie entstehen Niederlagen?« Keine sei zwingend gewesen, antwortete er gleich selbst. Sein Team habe nicht viel schlechter als noch im erfolgreicheren Januar gespielt. Beistand erhielt er von einem Kollegen aus rund 450 Kilometern Entfernung. »Die Qualität war trotzdem zu erkennen, sie haben lediglich ihre Chancen nicht genutzt«, erklärte Bo Svensson am Donnerstag den Mainzer Journalisten Unions Niederlage in Bielefeld. An diesem Sonnabend kann sich der dänische Trainer persönlich ein Bild davon machen, wenn er mit Mainz 05 in die Alte Försterei kommt.

Derzeit fehlendes »Wettkampfglück« und gesunkenes »Selbstvertrauen« - in das Duell der direkten Tabellennachbarn gehen die Berliner nicht nur nach Ansicht ihres Trainers unter erschwerten Bedingungen. Es wartet ein Gegner, der aus den vergangenen drei Spielen sieben Punkte geholt, dabei zuletzt Bayer Leverkusen spektakulär geschlagen und laut Fischer keine wirkliche Schwachstelle hat. Beim 1. FC Union hingegen passt es gerade weder vorn noch hinten so richtig. In der Defensive machten die Berliner nach zwei schlechten Auftritten in Augsburg und gegen Dortmund beim 0:1 in Bielefeld zwar wieder einen etwas stabileren Eindruck. Aber der Gegner war eben auch jene Arminia, die den zweitschwächsten Angriff der Bundesliga stellt. Nimmt man die seit 270 Minuten torlose Berliner Offensive hinzu, dann wackelt Fischers Vergleich mit den drei ersten Spielen nach der Winterpause im Januar doch deutlich.

Ganz offensichtlich fehlen die Tore. Union hat aber gerade auch Probleme, Situationen zu erspielen, die zu klaren Chancen führen. Beides kann man mit einer Person verbinden: Seit Max Kruse nach Wolfsburg gewechselt ist, steht vorne die Null. Der 33-Jährige hat nicht nur die bislang beiden letzten Bundesligatreffer der Berliner erzielt, er war auch der beste Vorlagengeber. Kruses kurzfristiger Abgang hat den Verein offenbar überrascht. Die öffentliche Erregung darüber, die Negativserie und der in dieser Woche verkündete Abschied von Grischa Prömel zum Saisonende ließen den sonst stoisch in sich ruhenden Fischer kurz aus seiner Haut fahren: » Der Fokus ist nicht auf dem Spiel. Es sind zu viele Dinge, die im Moment geschehen.«

Die Qualität von Kruse ist unbestritten. Weil ein Spieler allein aber keine Spiele gewinnen kann, war sein Verlust nur der zuletzt gezogene Stein, der den mühsam aufgebauten Turm des Erfolgs ins Wanken bringt. Denn es fehlt die Achse des Guten: Kurz vor Offensivstar Kruse verließ der souveräne Abwehrmann Marvin Friedrich den Verein, schon im Sommer ging der dominante Mittelfeldspieler Robert Andrich. Zudem musste auch Linksverteidiger Christopher Lenz ersetzt werden. Solch ein tragendes Gerüst einer Mannschaft ist innerhalb eines halben Jahres nur schwer zu ersetzen. Und: »Drei neue Spieler muss man erst mal integrieren«, beschrieb Fischer seine Probleme in den vergangenen Wochen. Beschweren will sich der Schweizer aber keineswegs. Solcherlei Schattenseiten des Erfolgs müsse man als »junger Bundesligist« hinnehmen. An der bislang so gewinnbringenden Arbeitsweise des Trainers ändert das auch nichts: Ruhe und Besonnenheit statt »Aktionismus«.

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