Mit Klemmbrett und Kuli in den Frühling

Potsdamer Initiative wirbt für Mietendeckel im städtischen Wohnungsbestand

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Fußball kommt in der Halbzeitpause das Team zusammen, analysiert das bisherige Spiel und schaut, was sich in der zweiten Hälfte verändern muss. Bei politischen Kampagnen ist das nicht anders. Auch die Initiative Mietendeckel Potsdam hat am Freitag im Rechenzentrum ihre Kabinenaussprache abgehalten. Unter dem Motto »Raus zur zweiten Halbzeit« diskutierten Engagierte, wie die Potsdamer in den nächsten Monaten von einem Mietendeckel für den städtischen Wohnungsbestand überzeugt werden können.

Die im Juni vergangenes Jahr gestartete Initiative will mittels eines Bürgerbegehrens erreichen, dass Mieterhöhungen beim städtischen Vermieter Pro Potsdam auf maximal ein Prozent in fünf Jahren begrenzt werden. Zur Initiative gehören das Bündnis »Stadt für alle«, die Linke und die Wählergruppe »Die Andere«. Für ein erfolgreiches Bürgerbegehren muss das Bündnis die Unterschriften von mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten sammeln.

Gut 15 000 Unterstützer sind das, knapp die Hälfte der Unterschriften hat die Initiative bereits zusammen. Wenn sie erfolgreich ist, kann das Stadtparlament das Anliegen entweder übernehmen oder es wird in einem Bürgerentscheid zur Abstimmung gestellt. In diesem Fall braucht die Initiative für ihr Anliegen eine Mehrheit und mindestens die Zustimmung von 25 Prozent der Wahlberechtigten.

Das Bürgerbegehren in der brandenburgischen Landeshauptstadt ist eine Reaktion auf den angespannten Potsdamer Wohnungsmarkt. Weniger als ein Prozent Leerstand und ein Mangel an über 10 000 preisgünstigen Wohnungen in der Stadt mit den zweitteuersten Mieten Ostdeutschlands, so rechnen es die Initiatoren vor. »Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ist völlig außer Kontrolle geraten«, sagte Arndt Sändig von der Wählergruppe »Die Andere«.

Auch das Mantra »bauen, bauen, bauen« würde da nicht weiterhelfen. Privat gebaut würden vor allem hochpreisige Wohnungen. Zwar wären die meisten der circa 250 von der Pro Potsdam im Jahr gebauten Wohnungen hingegen gefördert, doch reiche das längst nicht, um den Bedarf zu decken, erklärte Sändig, der auch Aufsichtsratsmitglied bei der Pro Potsdam ist. Gut 20 Prozent der Wohnungen in der Stadt gehören zur Pro Potsdam. Mit einem Mietendeckel für die städtische Wohnungsbaugesellschaft hofft die Initiative auch auf einen darüber hinaus gehenden Effekt. Wenn der stadteigene Vermieter den Preisanstieg begrenzt, fällt die ortsübliche Vergleichsmiete niedriger aus und damit wird auch der Preisanstieg im privaten Wohnungsbestand gebremst, lautet der Dreischritt der Initiative.

Über die rechtliche Zulässigkeit des Anliegens macht sie sich keine Sorgen. Anders als der im April 2021 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterte Berliner Mietendeckel sieht das Potsdamer Bürgerbegehren keinen Eingriff in die Mietpreise des privaten Wohnungsmarkts vor.

Ein ähnliches Vorhaben, das lediglich auf den städtischen Wohnungsbestand abzielt, war in der Vergangenheit auch in Berlin erfolgreich. 2015 übernahm die damalige rot-schwarze Landesregierung wesentliche Punkte eines seinerzeit von Aktivisten angestrebten Mietenvolksentscheids. In der Folge entstand auf Grundlage des Wohnraumversorgungsgesetzes eine Kooperationsvereinbarung zwischen Berlin und den landeseigenen Wohnungsunternehmen, die unter anderem vorsah, dass die Bestandsmieten in Summe um nicht mehr als zwei Prozent im Jahr steigen. Nach dem Aus für den Mietendeckel beschloss der Berliner Senat vergangenes Jahr, das ab 2022 die landeseigenen Unternehmen die Miete bis 2025 jährlich nur um maximal ein Prozent anheben dürfen.

In Potsdam sei man davon noch weit entfernt. »Egal ob bittend, fordernd oder analysierend: Wenn es um Mieterinteressen geht, wird alles von der Potsdamer Stadtverwaltung schlicht ignoriert«, sagte Holger Zschoge von der Initiative »Stadt für alle«.

Auch bei der Brandenburger Landesregierung hätte immer noch kein Bewusstseinswandel stattgefunden. »Obwohl das novellierte Baugesetzbuch es möglich macht, hat die Landesregierung das Verbot der Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen noch nicht umgesetzt«, kritisierte Steffen Lehnert von der Potsdamer Linken.

Die Initiative sieht den angestrebten Mietendeckel deshalb nur als einen ersten Schritt hin zu einer Wende in der Wohnungspolitik. Doch zunächst gilt es erst einmal Unterschriften zu sammeln. Das gestaltete sich in den letzten Monaten durchaus schwierig. Grund sei nicht nur die Corona-Pandemie. Vielen Potsdamern wäre das Bürgerbegehren noch gar nicht bekannt, zeigte sich eine Unterstützerin selbstkritisch. Das soll sich nun ändern. Am Freitag war auch Rouzbeh Taheri von der Initiative »Deutsche Wohnen und Co enteignen« zu Gast, der einen Einblick in die Unterschriftensammlungen auf dem Weg zum erfolgreichen Berliner Volksentscheid gab. Wie spricht man Menschen auf der Straße an? Was bringt mehr Unterschriften: Haustürgespräche oder zentrale Infostände? Wie viele Sammelnde sollten zusammen unterwegs sein?

Taheri berichtete nicht nur von der erfolgreichen Berliner Enteignungskampagne, er kündigte auch personelle Unterstützung für die Potsdamer an: »Ich habe das mit unseren Kiezteams bereits besprochen: Wir kommen im Mai gern vorbei und sammeln zusammen mit euch.«

Transparenzhinweis: Rouzbeh Taheri ist Verlagsleiter der nd.Genossenschaft eG

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