Scholz verkündet Waffenlieferungen an Kiew und massive Aufrüstung

Bundeskanzler gibt Einrichtung eines »Sondervermögens« von 100 Milliarden Euro für das deutsche Militär und drastische Erhöhung des Wehretats bekannt

Es war eine ganz große Koalition, die am Sonntag in Berlin einen gemeinsamen Entschließungsantrag absegnete, mit dem sie der Bundesregierung faktisch freie Bahn für historisch nie da gewesene Aufrüstungsvorhaben gibt. Der Antrag war in die Sondersitzung des Parlaments von den Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP gemeinsam mit der Unionsfraktion eingebracht worden. Die von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordnete und am 24. Februar begonnene flächendeckende Militärinvasion in der Ukraine bot die Begründung für Bekenntnisse zu und Forderungen nach einem massiven Ausbau der militärischen Fähigkeiten von Bundeswehr und Nato.

Zuvor hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Regierungserklärung noch einmal die am Samstag von der Bundesregierung beschlossene Lieferung von 1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Stinger-Raketen »an unsere Freunde in der Ukraine« bestätigt. Zudem war am Samstag nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums die Ausfuhr von 14 speziellen gepanzerten Fahrzeugen für die Ukraine genehmigt worden. Sie dienten dem Personenschutz, gegebenenfalls auch Evakuierungszwecken, hieß es. Darüber hinaus sollen bis zu 10 000 Tonnen Treibstoff über Polen in die Ukraine geliefert werden. Außerdem wurde Estland jetzt erlaubt, mehrere Artilleriegeschütze aus Altbeständen der Nationalen Volksarmee der DDR an die Ukraine abzugeben.

Im Bundestag verkündete Kanzler Scholz am Sonntag zudem, die Regierung werde ein »Sondervermögen« zur »Ertüchtigung« der Bundeswehr schaffen und dieses »einmalig« mit 100 Milliarden Euro ausstatten. Darüber hinaus werde man »von nun an Jahr für Jahr« mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) »in unsere Verteidigung investieren«, so Scholz. Das Sondervermögen solle »im Grundgesetz abgesichert« werden. Weiter teilte Scholz mit, die Anschaffung der bewaffneten Heron-Drohnen aus Israel – gegen die in der SPD während der Großen Koalition noch eine Mehrheit schwere Bedenken hatte – werde man vorantreiben. Zudem werde die nächste Generation von Kampfflugzeugen und Panzern mit den europäischen Partnern gebaut und der Eurofighter gemeinsam weiterentwickelt. Für die sogenannte nukleare Teilhabe werde man »rechtzeitig einen modernen Ersatz für die veralteten Tornado-Jets beschaffen«.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bestätigten die Aufrüstungsvorhaben. Kanzler und Minister erklärten, die Erhöhung der Rüstungsausgaben sei notwendig geworden, weil Russland nicht nur die Ukraine angegriffen habe, sondern die »europäische Sicherheitsordnung, wie sie seit der Schlussakte von Helsinki fast ein halbes Jahrhundert Bestand hatte« (Scholz), »zertrümmert« habe und damit die europäische Demokratie und Freiheit insgesamt bedrohe. Die Verpflichtung der Nato-Staaten, zwei Prozent des BIP in die Aufrüstung zu stecken, war beim Gipfel des Militärpakts 2014 in Wales festgeschrieben worden – nach dem Beitritt der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim zu Russland. Die Bundesrepublik wollte das Zwei-Prozent-Ziel nach bisherigen Haushaltsplanungen erstmalig im Jahr 2024 erfüllen.
Zwar betonten Scholz und viele andere Rednerinnen und Redner im Parlament, man müsse auch Gesprächskanäle nach Russland offen halten und die dortige Zivilgesellschaft stärken. Doch insgesamt waren bis hin zur AfD alle einig, dass jetzt der Zeitpunkt für die Politik der militärischen Stärke gekommen sei.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!