Das Meer steigt weiter

Klimaschutzmaßnahmen und Hochwasserschutz sind für die Niederlande existenziell

  • Sarah Tekath, Amsterdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Der tiefste Punkt der Niederlande liegt über sechs Meter unter dem Meeresspiegel. Insgesamt ist es ein Viertel des Landes, eine Fläche etwa halb so groß wie Sachsen-Anhalt. Wenn der Meeresspiegel als Folge des Klimawandels steigt, wird das Land mit seinen langen Küsten unter Druck geraten. Nun soll gehandelt werden: Mit einem Klimaplan und konkreten Projekten.

Bis 2050 will das Land 95 Prozent weniger CO2 ausstoßen als noch im Jahr 1990. Bis 2030 sollen es bereits 49 Prozent weniger sein. Doch die Zeit drängt, Erfolge stellen sich nur schleppend ein.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Auch der Hochwasserschutz soll bis 2050 ausgebaut werden. 60 Prozent der Niederlande werden durch Deiche, Dämme und Dünen vor Überschwemmungen geschützt. Allerdings stammen die Bautechniken und Sicherheitsstandards aus den 1960er Jahren. Beim Afsluitdijk etwa, einem künstlichen Damm mit einer Länge von 32 Kilometern, der seit den 1930er Jahren die niederländischen Provinzen Noord-Holland und Friesland verbindet, reichen die sieben Meter Höhe nachweislich nicht mehr aus. Deshalb soll der Afsluitdijk um zwei Meter erhöht werden. Dafür kommen 75 000 neu entworfene Betonblöcke zum Einsatz, deren besondere Bauweise nach Angaben von Rijkswaterstaat, der Behörde für Bau und Unterhalt von Straßen und Wasserwegen, 56 Prozent weniger CO2-Ausstoß verursacht als herkömmliche Betonblöcke.

Um die Klimaziele zu erreichen, will das Land der Windmühlen zudem bis 2030 mindestens 35 Terrawattstunden (TWh) nachhaltige Elektrizität produzieren und setzt dabei auf Windenergie. Gemäß des niederländischen Energieabkommens für nachhaltiges Wachstum hätten 2020 genug Windräder im Land verfügbar sein müssen, um 6000 Megawatt zu produzieren. Ende 2019 waren es 3534 Megawatt an brauchbarer Windenergie - das entspricht 59 Prozent der Zielvorgabe. Ende 2020 und Anfang 2021 wurde Borssele, der bisher größte Offshore-Windpark der Niederlande, in Betrieb genommen. Er soll zukünftig in der Lage sein, 1500 Megawatt zu liefern.

Außerdem befindet sich in der Region Rotterdam das weltweit größte Windrad gerade in der Testphase, genannt Haliade-X. Die 260 Meter hohe Konstruktion mit bis zu 107 Meter langen Rotorblättern steht in der Nordsee, wo sie von den starken Winden profitieren und mehr als 45 Prozent mehr Energie erzeugen soll als die stärksten Windräder an Land, so die Betreiber gegenüber dem niederländischen Nachrichtensender NOS. Die fünfjährige Testphase läuft bis 2024, danach soll die Turbine 15 Jahre in Betrieb bleiben.

Weniger erfolgreiche Projekte kann das Land im Bereich anderer Energiequellen vorweisen, beispielsweise beim Einsatz von Erdgas in der Industrie und beim Heizen von Gebäuden. Nach Zahlen des niederländischen Amtes für Statistik bezogen Anfang 2019 noch 92 Prozent aller Wohnungen im Land Erdgas.

Und auch in den Niederlanden ist die Landwirtschaft maßgeblich verantwortlich für hohe Treibhausgasemissionen. Anfang 2020 gab das Reichsinstitut für Volksgesundheit und Umwelt bekannt, dass 41 Prozent der Emissionen im Land auf die Landwirtschaft und vor allem die Viehhaltung mit rund 16 000 Betrieben mit Milchvieh und etwa 1,6 Millionen Milchkühen zurückzuführen sei. Auf dem Dairy Campus der Universität Wageningen wird darum aktuell geforscht, wie mithilfe von digitalem Smart Farming CO2-Reduktionen erreicht werden können. Dabei wird beispielsweise erhoben, wie sich verschiedene Futtersorten auf die Emissionen auswirken.

Trotz aller Projekte sind die Niederlande von ihren Zielen noch sehr weit entfernt. So erklärte die Niederländische Vereinigung Nachhaltige Energie (NVDE) vor wenigen Tagen: Hätten die Niederlande ab dem 1. Januar nur nachhaltige Energie benutzt, dann gäbe es nach diesem Montag für den Rest des Jahres keinen Strom mehr. Aufgrund dessen hat die NVDE den Green Energy Day ins Leben gerufen - der Tag, an dem alle nachhaltig erzeugte Energie aufgebraucht wäre. 2021 fiel dieser Tag auf den 16. Februar. 2022 hat er sich leicht nach hinten verschoben, problematisch bleibt die Lage trotzdem.

»Um es möglich zu machen, dass der Green Energy Day im Jahr 2050 auf dem 31. Dezember liegt, müsste er jedes Jahr um 12 Tage nach hinten verschoben werden«, sagt Olof van der Gaag, Leiter der NVDE. Nach Schätzungen des Forschungsinstituts für Umwelt und Raumplanung liegt der Anteil nachhaltiger Energie 2022 bei 14,2 Prozent. »Wir müssen noch reichlich zulegen, um am 31. Dezember Green Energy Day feiern zu können.«

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