Kohle für Grüne die rote Linie

An neuen Tagebauen würde die Koalition mit SPD und CDU zerbrechen

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit einem weiteren Vorsorgepaket von einer halben Milliarde Euro soll sich Brandenburg nach dem Willen der oppositionellen Linksfraktion auf die neue Lage im Land und in Europa einstellen. Nun gelte es, »Halt zu geben«, sagte Fraktionschef Sebastian Walter am Dienstag in Potsdam. Er stellte ein Maßnahmepaket »im Zeichen des Ukraine-Krieges« vor und unterstrich, dass die dafür notwendigen Maßnahmen nicht dazu führen dürften, dass an anderer Stelle Sozialkürzungen vorgenommen werden. Diese Forderung verband er mit einer Erläuterung, was die Linksfraktion nun in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode von der rot-schwarz-grünen Koalition erwarte.

Walter lobte die Landesregierung und die Ankündigung des Innenministers Michael Stübgen (CDU), sich auf die Flucht von 10 000 Ukrainern vorbereiten zu wollen, wobei vor allen Frauen und Kinder erwartet werden. Für diese müsse es Unterkünfte, aber auch Plätze an Schulen und in Kitas geben. Dazu müsse ein Krisenstab gebildet werden. Aus Sicht von Linksfraktionschef Walter darf es jetzt keine Abschiebungen von Asylbewerbern in Staaten geben, die am Konflikt beteiligt sind. Das wären unter anderen die Tschetschenen, deren Heimat zu Russland gehört. Er selbst werde am Mittwoch ihm persönlich bekannte Flüchtlinge von der ukrainisch-polnischen Grenze abholen, kündigte Walter an.

Den Brandenburgern sollte ein »neues Sozialstaatsversprechen« gemacht werden, verlangte Walter von der Landesregierung. So etwas hatte es in den Jahren 2015 und 2016 gegeben, als viele syrische Kriegsflüchtlinge eintrafen. Damals gab es in Brandenburg eine rot-rote Koalition. Diese hatte der Bevölkerung zugesichert, dass nicht an anderer Stelle gespart werde, um die Aufnahme der Geflüchteten zu finanzieren.

Die Landesregierung müsse aktiv gegen die massiven Preissteigerungen auftreten und dafür die Unterstützung des Bundes einfordern, meinte Walter nun. Es gelte, Absperrungen von Strom, Gas und Wasser wegen nicht bezahlter Rechnungen zu verhindern. Mit dem Vorsorgepaket könnten Investitionen in Schulen, Kitas, Wohnungen und den öffentlichen Personennahverkehr getätigt werden.

Das soll durch Kredite finanziert werden. Dass die Schulden zu denen hinzukommen würden, die durch die Coronakrise verursacht worden sind, ficht Walter nicht an. Besser jetzt Geld einsetzen, als später durch die Klimakrise das Zehnfache bezahlen, sagte er. Gleiches gelte für Investitionen in die Infrastruktur. Dies würde am Ende für steigende Steuereinnahmen und ein Mehr an Gerechtigkeit sorgen. »Geld ist da in diesem Land - für Bankenrettungen und Aufrüstung«, erinnerte Walter. Statt 100 Milliarden Euro extra in die Bundeswehr zu stecken, wie es Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt hat, sollten 20 Milliarden in die Beseitigung des Pflegenotstands investiert werden. »Damit wäre der Zivilgesellschaft deutlich besser geholfen.«

Walter sprach sind dafür aus, spätestens im Jahr 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Er widersprach denen, die für eine Verlängerung dieser Frist eintreten oder zumindest darüber sprechen möchten, darunter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Ohnehin würden die bestehenden Tagebaue demnächst »ausgekohlt« sein und wer die Verstromung fortsetzen wolle, müsse neue Tagebaue erschließen oder russische Kohle verfeuern, sagte Walter. Er unterstützte den von der Bundesregierung verkündeten Stopp der Erdgasleitung Nord Stream 2 zum gegenwärtigen Zeitpunkt. »Warum sollen wir Putin und seinen Oligarchen den Krieg finanzieren?« Wenn künftig wieder an einer Friedensarchitektur gearbeitet werden sollte, müsse über diese Erdgasleitung aber neu geredet werden.

Dagegen trat CDU-Fraktionschef Jan Redmann für eine Verlängerung der Braunkohleverstromung ein. Er nannte dies »strategisch wichtig«. Redmann räumte ein, dass Russland verlässlich jahrzehntelang Gas und Öl lieferte und das auch jetzt während des Kriegs in der Ukraine tut. Doch könne man angesichts der Politik von Präsident Wladimir Putin nicht mehr sicher sein, dass dies auch für die Zukunft so sein werde.

Es sei nicht angemessen, jetzt den Kohleausstieg aufzuschieben, meinte Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke. Er warnte die Koalitionspartner SPD und CDU, »in alte Reflexe« zurückzufallen. Neue Tagebaue oder gar eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken »wird mit uns nicht zu machen sein«. Sollten SPD und CDU auf neuen Tagebauen bestehen, »wäre die Koalition sofort am Ende«. Dies sei »für uns die rote Linie.« Aus Sicht der Grünen ist die neue politische Lage nur Anlass, noch stärker in die erneuerbaren Energien einzusteigen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.