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Die Grünen zwischen Pest und Cholera

Vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein sortieren sich die Gruppen von Terminal-Gegnern und -Befürwortern neu

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Es mutet an wie eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera: Die Grünen in Schleswig-Holstein treffen mit ihrem Wahlprogramm zur Landtagswahl am 8. Mai gerade auf eine harte Wirklichkeit. Die geplanten Terminals für LNG (Flüssigerdgas) haben Spaltpotenzial. Auf der einen Seite will man schnellstmöglich die Klimaschutzziele erreichen und auf fossile Brennstoffe verzichten. Auf der anderen Seite steht die Frage, wie man in den nächsten Jahren eine bezahlbare Energieversorgung im Heizbereich sicherstellt. Die Diskussion um den Bau eines LNG-Terminals mit Nordseeanbindung nimmt nach der russischen Invasion in der Ukraine Fahrt auf. Bei der Standortsuche für solch ein Terminal wird Brunsbüttel genannt, aber auch auf der gegenüberliegenden niedersächsischen Elbseite Stade.

Die grüne Basis in Schleswig-Holstein hat sich bei der Verabschiedung ihres Wahlprogramms am 20. Februar gegen Pläne des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck und die grüne Landesspitze durchgesetzt, die den Bau eines LNG-Terminals als Übergangslösung mit Weiterführung als Wasserstoff-Versorgungsquelle akzeptieren würde. Im Koalitionsvertrag des aktuellen schleswig-holsteinischen Jamaika-Bündnisses geht man ebenfalls von der Errichtung des Terminals aus.

Neben der CDU und der FDP hat sich nun auch die SPD auf die Seite der Befürworter geschlagen. Strikt dagegen sind der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) und die Linke. Und die Grünen? Die Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben sagte vergangenen Donnerstag im Landtag, dass beim geplanten LNG-Terminal alles getan werden müsse, »damit dort etwas entsteht, was nicht nur für Gas, sondern perspektivisch auch für nicht-fossile Energieträger genutzt werden kann«. An anderer Stelle erinnert sie daran, dass selbst bei einer zügigen Genehmigung solch ein Terminal frühestens 2026 in Betrieb genommen würde und bis zum vereinbarten Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung dann keine zehn Jahre mehr anstünden.

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister und FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl Bernd Buchholz argumentiert ebenso betriebswirtschaftlich, will Bauinvestoren für solch ein Terminal über eine 20-jährige Flüssiggas-Abnahmezusage des Bundes ködern. Zuletzt hatten sich Investoren zurückgezogen, weil das Projekt nicht voran kam. FDP-Fraktionschef Christopher Vogt bemerkt in Richtung Grüne, dass eine LNG-Gegnerschaft der Grünen kein Hindernis wäre, an dem eine Regierungsbildung scheitern sollte.

Umweltaktivisten, so von der Deutschen Umwelthilfe oder der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager, weisen darauf hin, dass mit Tankern geliefertes importiertes Flüssiggas nicht nur klimaschädlich sei, sondern auch durch Anwendung der umstrittenen Fracking-Förderung gewonnen werde. Die Klimabewegung Fridays For Future lehnt in einem 30-seitigen Forderungskatalog zur Landtagswahl alle LNG-Überlegungen ab. Die SPD erkennt in einem Terminal dagegen Wachstumspotenzial für den Standort Brunsbüttel. Entsprechend unterstützt der DGB dies mit dem Argument der Arbeitsplatzsicherung und -schaffung.

SSW-Landesvorsitzender Christian Dirschauer hat einen anderen Vorschlag: »Wenn Buchholz und Habeck unbedingt US-Gas verbrennen wollen, stehen ihnen 28 LNG-Terminals in Europa zur Verfügung, von denen die meisten gerade einmal zu 40 Prozent ausgelastet sind.« Die Linke lehnt laut Programm den Bau ab und solidarisiert sich mit der zivilgesellschaftlichen Protestbewegung gegen das LNG-Terminal in Brunsbüttel.

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