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Waffen für Frieden und Freiheit?

Maschinengewehre und Co, damit die Ukraine sich verteidigen kann, das fordern auch manche Kriegsgegner

Der Ton wird rauer - auch in den sogenannten sozialen Medien, wo der Umgangston immer schon rabiater war als in der analogen Welt. Wenn es um den Krieg in der Ukraine geht, plädieren immer mehr Menschen, die sich selbst als Kriegsgegner sehen, für Waffenlieferungen an die Ukraine. Sie folgen der Argumentation der Bundesregierung, die postuliert, in Kiew, Charkiw und Mariupol werde die Souveränität des Landes verteidigt und damit auch die westliche Wertegemeinschaft. Sei man gegen den Rüstungsgüterexport in das aktuelle Kriegsgebiet, so liefere man die Ukraine der Okkupation durch das quasi faschistische Putin-Regime aus, habe keine Empathie mit den Menschen im Land, so der Tenor der Vorwürfe an jene, die eine pazifistische Position beibehalten wollen.

Die Debatte unter jenen, die sich als Teil der Friedensbewegung hierzulande sehen, ist offenbar ein Widerschein der allgemeinen Stimmung. Nicht nur das Bereitstellen von Kriegsgerät für die Ukraine wird von immer mehr Menschen befürwortet. Noch mehr Bürger finden auch die am Sonntag von Kanzler Olaf Scholz (SPD) verkündete drastische Erhöhung der laufenden Verteidigungsausgaben und die Schaffung eines 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens für die Bundeswehr-Ertüchtigung richtig. Knapp zwei Drittel von 1877 Personen, die am Dienstag dazu vom Meinungsforschungsinstitut YouGov befragt wurden (63 Prozent), stehen hinter dem Vorhaben, die Fähigkeiten der deutschen Truppe angesichts des Krieges in der Ukraine zu stärken.

Einer weiteren Yougov-Umfrage zufolge ist jeder sechste Deutsche sogar für ein direktes Eingreifen der Bundeswehr in den Krieg in der Ukraine, also für eine Truppenentsendung. Jeder zweite Befragte sprach sich für die Entsendung zusätzlicher Truppen zur Unterstützung der Nato-Mitglieder in Osteuropa aus. 19 Prozent sind für eine Koordination von Luftangriffen gegen russische Ziele durch deutsche Militärs.

Auch in vielen Redebeiträgen auf der Demonstration am Sonntag für Frieden in der Ukraine und den Abzug der russischen Angreifer fand sich die Forderung nach militärischer Unterstützung für die Ukraine.

Am Mittwoch wandten sich dennoch erneut rund 150 Aktive aus friedenspolitischen Initiativen mit einem Appell an Regierung und Gesellschaft. In dem Aufruf unter der Überschrift »Die Waffen nieder! Das Blutvergießen beenden! Jedes Leben zählt!« fordern sie unter anderem: »Deutschland darf keine weiteren Waffen liefern, die den Krieg anheizen würden.« Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine dürfe »auch nicht für neue milliardenschwere Aufrüstungsschübe der Bundeswehr missbraucht werden«. Solidarität heiße aktuell, Geflüchtete aufzunehmen und dem Land humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Russischen wie ukrainischen Kriegsdienstverweigerern müsse Deutschland Asyl bieten. Die russische Regierung wird aufgefordert, »alle Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen«. Zugleich empfehlen die Unterzeichner der ukrainischen Seite, eine »Beendigung des militärischen Widerstands, verbunden mit der Ankündigung zivilen Widerstandes gemäß des Konzeptes Sozialer Verteidigung« könne »weitere unzählige Tote, Verletzte und Verwüstungen in einem andauernden Krieg vermeiden helfen«.

Christine Schweitzer, Geschäftsführerin des Bundes Soziale Verteidigung (BSV), die den Appell mit unterzeichnet hat, räumte im Gespräch mit »nd« ein, dass mit Blick für zivilen Widerstand von Bürgern »der Zug abgefahren« sei. Die ukrainische Regierung habe den Einsatz ziviler Mittel gegen die russische Invasion offenbar »auch nicht erwogen«.

Der BSV ist ein aus der klassischen Friedensbewegung der alten Bundesrepublik hervorgegangener, 1989 gegründeter Verein, der das Konzept der sozialen Verteidigung in Kooperation mit ähnlichen Initiativen weltweit als Alternative zur militärischen Logik versucht stark zu machen. Dessen Schwerpunkt ist nicht die Verteidigung eines Territoriums, sondern von Strukturen der Zivilgesellschaft gegen militärische Angriffe eines anderen Landes oder im Falle eines Putsches.

Tatsächlich waren in Medienberichten der letzten Tage auch Aufnahmen von spontanen Demonstrationen von Bürgern vor russischen Panzern in ukrainischen Städten zu sehen, in deren Folge sich die Besatzungen mit ihren Fahrzeugen aus der Innenstadt zurückzogen. Über eine ganze Reihe solcher Aktionen berichtete am Wochenende das internationale friedens- und sozialpolitische Nachrichtenportal »waging nonviolence« (»Gewaltlosigkeit wagen«) mit Sitz in New York.

Die ukrainische Regierung hat die Bevölkerung des Landes hingegen zum bewaffneten Widerstand aufgerufen, unter anderem in Kiew wurden Sturmgewehre an Bürger verteilt. Unterdessen wurden die von der Bundesregierung am Wochenende zugesagten 1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Boden-Luft-Raketen für die ukrainischen Streitkräfte bereits laut der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch bereits geliefert.

Christine Schweitzer hat Verständnis für die Forderung Kiews nach militärischer Ausrüstung. Waffenlieferungen würden damit aber »nicht richtiger«. Sie verlängerten den Krieg und vergrößerten das Leid auf allen Seiten. Ein langer Guerillakrieg, warnt Schweitzer, könne die Ukraine zerstören. Das zeige die Lage in Syrien, wo verschiedene Gruppen, darunter terroristische, von verschiedenen Staaten aufgerüstet wurden.

Gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine sprach sich auch der Linke-Außenpolitiker Jan van Aken aus: »Das ist eigentlich eher ein Ersatz für Politik als eine sinnvolle Politik.« Er hält es für wirkungsvoller, etwa Villen von 200 000 russischen Millionären zu beschlagnahmen, die hierzulande Konten und Immobilien haben. Ohne den Rückhalt dieser Elite habe Putin »keine Chance mehr«, sagte van Aken am Mittwoch im Deutschlandfunk Kultur.

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