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Niemand wird weggeschickt

Das Gesundheitszentrum Casa Kuà bietet Raum für Austausch und Beratung

  • Inga Dreyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Bildstrecke aus feministischen Archiven
Bildstrecke aus feministischen Archiven

Körperliche und psychische Gesundheit können nicht isoliert von der gesamten Lebenssituation betrachtet werden, sagt Nahuel von Casa Kuà, einem selbstorganisierten Gesundheitszentrum in Berlin für trans*, inter und nicht binäre BIPoCs, also Schwarze Menschen und People of Color. »Casa« heißt »Haus« auf Spanisch und »Kuà« bedeute »trans« auf Mandarin, erklärt Nahuel.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

»Wir verstehen Gesundheit als etwas Ganzheitliches.« Deshalb gehe es auch darum, ganzheitliche Beratung anzubieten. Die Aspekte der Gemeinschaftlichkeit und Fürsorge spielten dabei eine zentrale Rolle. »Die Leute kommen mit allen möglichen Problemen: visa- und aufenthaltsrechtlichen Fragen, physischen Schmerzen, psychischen Schwierigkeiten. Auch Wohnungssuche ist in unseren Communities ein großes Thema«, sagt Nahuel. Er*sie stammt aus Südamerika, hat einen indigenen Hintergrund und identifiziert sich als trans* und two-spirit Person. Die Vorstellung der zwei Seelen (»spirits«) in einem Körper habe ihren Ursprung in indigenen Kulturen, erzählt er*sie. Für Nahuel gibt es nicht nur »männlich« und »weiblich«, sondern Variationen von Geschlecht.

Das deutsche Gesundheitssystem aber sei nach den Normen weißer cis Männer entworfen worden, kritisieren die Aktivist*innen von Casa Kuà. Menschen, die diesen Normen nicht entsprechen, machten deshalb immer wieder unangenehme und diskriminierende Erfahrungen. Es passiere zum Beispiel, dass man als trans* Person mit einem gebrochenen Arm vom medizinischen Personal gefragt wird, welche geschlechtsangleichenden Operationen man hinter sich habe. Das sei in diesem Zusammenhang nicht relevant, sagt Nahuel.

Im September 2020 hat eine Gruppe von Leuten, die einander aus queer-aktivistischen Kreisen kennen, die Räumlichkeiten von Casa Kuà im Frauenzentrum Schokofabrik in Kreuzberg eröffnet: Es gibt zwei Behandlungszimmer, einen Workshop-Raum, eine große Küche und eine kleine Bibliothek. Corona sei eher Auslöser als Grund für die Gründung des Gesundheitszentrums gewesen, sagt Nahuel. »Der Ort ist aus einer Notwendigkeit heraus entstanden. Die meisten von uns sind Migrant*innen, viele von uns kommen aus der Arbeiter*innenklasse.«

Im deutschen Gesundheitssystem träfen Patient*innen auf rassistische, klassizistische und sexistische Strukturen. Die Probleme fingen schon beim Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten an, der beispielsweise für Menschen ohne Aufenthaltsstatus und Krankenversicherung mit Barrieren verbunden sei, sagt Nahuel. Trans* und inter Personen, insbesondere nicht-weiße, erlebten verschiedene Formen von Diskriminierung. »Das Geschlecht sollte eigentlich im Gesundheitssystem keine Rolle spielen. Tut es aber«, sagt Nahuel, der*die selbst Krebs hatte.

Die Aktivist*innen von Casa Kuà wollen Möglichkeiten bieten, um sich auszutauschen und einander Tipps zu geben. »In unseren Communities ist so viel Wissen vorhanden. Niemand kennt deinen Körper so wie du selbst. Deshalb ist wichtig zuzuhören«, sagt Nahuel. Es gibt unter anderem Gruppen für Krebs-Selbsthilfe, trans* und nicht-binäre Elternschaft, trans Frauen oder auch Kunst-, Yoga- und Tanzkurse.

Vertreter*innen herkömmlicher, alternativer und traditioneller medizinischer Ansätze bieten bei Casa Kuà Beratungstermine an. Unter anderem engagieren sich Heilpraktiker*innen, ein queeres Hebammen-Kollektiv, ein*e Osteopath*in sowie verschiedene Arten von Therapeut*innen und Coaches. Die Preise richten sich nach den finanziellen Mitteln der Ratsuchenden. »Niemand wird weggeschickt, weil er oder sie kein Geld hat.«
Im Moment finden die meisten Angebote wegen Corona online statt, Termine für Beratungen sollten per Mail vereinbart werden, sagt Nahuel. »Es ist nicht die einfachste Zeit, so einen Ort zu gründen.« Bisher gebe es keine öffentliche Finanzierung, trotzdem werde Casa Kuà immer bekannter. Über eine Spendenkampagne sammeln die Initiator*innen Geld. »Ein Traum wäre, dass wir ein nachhaltiges Angebot schaffen können, das auch andere Gruppen inspiriert«, sagt Nahuel.

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