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Braunkohle geht, Wasserdampf bleibt
Ein innovatives Speicherkraftwerk soll dem Standort Jänschwalde in der Niederlausitz eine Zukunft geben
Hinten steigt der Wasserdampf aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde. Bei den Pförtnern am Haupteingang sagt die Landtagsabgeordnete Anke Schwarzenberg (Linke), wer sie ist und dass sie einen Termin hat. Mit dem Fahrstuhl oben angekommen in der zwölften Etage des Verwaltungsgebäudes muss sie sich nicht vorstellen. »Ach Anke, schön dich mal wieder zu sehen«, freut sich eine Frau und schließt die Politikerin in ihre Arme.
Früher arbeitete Schwarzenberg als Diplom-Ingenieurin und kümmerte sich um die Rekultivierung alter Tagebaue. Aus dieser Zeit kennt sie viele Kollegen der Lausitzer Energie AG (Leag), zwei Mal rückte Schwarzenberg für ihren Genossen Christian Görke in den Potsdamer Landtag nach - 2015, als er brandenburgischer Finanzminister wurde, und jetzt wieder Ende 2021, als er in den Bundestag einzog. Donnerstagnachmittag kommen Schwarzenberg und Görke zur Leag, um zu erfahren, was es mit dem innovativen Speicherkraftwerk auf sich hat, das im Zuge des Kohleausstiegs an die Stelle der sechs herkömmlichen Kraftwerksblöcke treten soll. Jene sind in den Jahren 1981 bis 1989 errichtet worden und gehen nun schrittweise vom Netz. Bei Block F ist das bereits im Oktober 2018 geschehen, bei Block E im Oktober 2019. Sie bleiben bis Ende 2022 beziehungsweise Ende 2023 für Notfälle in Reserve, bevor sie endgültig stillgelegt werden. Wenn etwa wegen des Krieges in der Ukraine russische Erdöl- und Erdgaslieferungen ausfallen, könnten sie wieder hochgefahren werden. Die nächsten Blöcke sollen regulär 2025 und 2027 abgeschaltet werden, die letzten 2028.
Jänschwalde hat also mit den Diskussionen, den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorzuziehen, nichts zu tun. Das oft als größte Dreckschleuder Europas gescholtene Kraftwerk erreicht ohnehin schon früher das Ende seiner Laufzeit. Der Tagebau Jänschwalde ist voraussichtlich Ende 2023 ausgekohlt. Auf den neuen Tagebau Jänschwalde-Nord, der einen Ersatzneubau des Kraftwerks erfordert hätte, verzichtete die Leag bereits in ihrem Revierkonzept von 2017. In den letzten Jahren vor der Stilllegung wird die Kohle aus den Tagebauen Welzow-Süd in Brandenburg sowie Nochten und Reichwalde in Sachsen herbeigeschafft. 2030 ist dann auch der Tagebau Welzow-Süd leer, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Geschichte der industriellen Braunkohleförderung damit beendet. Mit der Branche hätte das Bundesland dann nur noch über das Kraftwerk Schwarze Pumpe zu tun, dass bis zum kompletten Kohleausstieg im Jahr 2038 seinen Brennstoff aus Sachsen erhalten soll.
Insofern fragt sich René Schuster von der Grünen Liga, warum Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) aktuell laut überlegt, ob der Kohleausstieg wirklich von 2038 auf 2030 vorgezogen werden könne oder ob man dies mit Blick auf unsichere russische Erdgaslieferungen bleiben lassen sollte. Denn Brandenburg habe mit dieser Datumsfrage eben nichts zu tun, bestätigt Schuster. Neue Tagebaue wie Jänschwalde-Nord und Welzow-Süd II seien »politisch nicht mehr durchsetzbar«, schätzt er ein. Die Zeit wäre jetzt auch zu knapp. Schließlich wurden die langwierigen Vorbereitungen, zu denen die Umsiedlung von Ortschaften gehört, ja abgebrochen.
Was kommt nach der Kohle? Was ist dieses innovative Speicherkraftwerk? Könnte das die Zukunft sein? Was René Schuster bislang darüber gehört hat, reicht ihm nicht aus, um definitiv zu sagen, ob das eine gute und machbare Sache sei. Auch die Abgeordneten Anke Schwarzenberg und Christian Görke haben dazu Fragen. Frank Mehlow versucht sie zu beantworten. Bei der Leag ist er zuständig für strategische Geschäftsfeldförderung. Die Aktiengesellschaft, die zur tschechischen Energie- und Industrieholding EPH gehört, sucht neue Betätigungsfelder. In den ehemaligen Tagebauen stehen bereits erste Windräder und Solaranlagen, die Ökostrom erzeugen. Das kann und soll erheblich ausgeweitet werden. 700 bis 800 Megawatt Leistung wären möglich, sagt Mehlow. Die Energie könnte der Industrie geliefert werden, beispielsweise dem Stahlwerk in Eisenhüttenstadt.
Was aber tun, wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint? Hier kommen die Wasserstofftechnologie, thermische Großspeicher und ein modernes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk ins Spiel. Laut Herstellerangaben könnten jetzt 30 Prozent Wasserstoff beigemengt werden und bei technischen Fortschritten immer mehr, bis der Wasserstoff das Gas komplett ersetzt. 150 Arbeitsplätze würden entstehen. Dazu kämen noch 50 Jobs in einer ebenfalls geplanten Müllverbrennungsanlage. 480 000 Tonnen Abfall im Jahr sollen dort entsorgt werden und dabei Fernwärme für Cottbus und Peitz erzeugen. Der Bedarf besteht, weil jetzt im Kraftwerk Jänschwalde zusammen mit der Braunkohle Müll verbrannt wird, der auch noch anfallen wird, wenn es keine Tagebaue mehr gibt. Es formierte sich allerdings eine Bürgerinitiative, die gegen die Müllverbrennungsanlage protestiert.
Wasserstoff kann jedoch nahezu schadstofffrei verbrannt werden. Die Technologie ist, wenn dabei erneuerbare Energien zum Einsatz kommen, vollständig klimaneutral. 780 Beschäftigte zählt das Kohlekraftwerk Jänschwalde, die Auszubildenden mitgerechnet. 150 Stellen im neuen Speicherkraftwerk sind daran gemessen nicht viel, aber besser als nichts - auch wenn man bedenkt, dass ein klassisches Gaskraftwerk mit 10 bis 15 Leuten auskommt.
500 Millionen Euro wären zu investieren. »Wir sind da im Prinzip in den Startlöchern. Die Frage ist, wie kriegen wir das bezahlt«, sagt Mehlow. Ohne Fördermittel werde es nicht funktionieren. Mehlow hat ein Auge auf einen passenden EU-Topf geworfen. Zusätzlich bräuchte es noch einen Anschluss an die Gasleitung in Schwarze Pumpe und ein Netz von Wasserstoffleitungen, um Gewerbegebiete anzubinden. Normalerweise wäre das für die Kommunen in der Lausitz unbezahlbar. Doch mit den Mitteln des Bundes für den Strukturwandel in den Kohlerevieren ließe sich das stemmen. »Eine Wasserstoffstruktur in dieser Größenordnung, das wäre ein Wirtschaftsschub für Jahrhunderte«, gerät Mehlow ins Schwärmen.
»Mich überzeugt dieser Ansatz«, sagt der Bundestagsabgeordnete Görke. »Mich überzeugt, dass wir nur so den Wandel schaffen können.« Die Finanzierungsmöglichkeiten sieht er noch nicht, wenn er einkalkuliert, dass 1,1 bis 1,8 Milliarden Euro Strukturmittel allein für eine Medizinische Fakultät in Cottbus verbraucht werden.
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