Im Zwiespalt

Die gesellschaftliche Linke muss eine neue Strategie entwickeln, um mit dem Angriffskrieg umzugehen - und die osteuropäischen Linken einbeziehen

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Friedensdemonstrationen am Sonntag sind ein Abbild des Zwiespalts und der Zerrissenheit, in der sich viele Linke in Deutschland derzeit befinden. Während ein großes Bündnis von 50 Organisationen unter dem Motto »Stoppt den Krieg« deutschlandweit rund 125.000 Menschen mobilisieren konnte, protestierte die ukrainische Initiative »Vitsche« in Berlin separat. Ihr Hauptanliegen – eine Flugverbotszone über der Ukraine – teilten zwar auch Menschen auf der großen Demo, das Bündnis forderte das explizit nicht.

Eine No-Fly-Zone käme einem Kriegsbeitritt der Nato gefährlich nahe. Doch was ist die Alternative? Eine Antwort auf diese Frage ist nicht leicht zu finden. Tausende Zivilist*innen sind bereits gestorben. Kann man sich wirklich darauf zurückziehen, »Sag mir wo die Blumen sind« zu singen, während Russland ukrainische Städte bombardiert? Ein Großteil der Linken in Osteuropa beantwortet das ganz klar mit Nein. Sie fordern die Schließung des Luftraums, die weitere Bewaffnung der Ukraine und ein Erlass ihrer Auslandsschulden.

Das deutsche Bündnis forderte indes »Friedensverhandlungen, die in einem atomwaffenfreien Europa gemeinsamer Sicherheit, des Friedens und der Abrüstung« münden. Derartige Forderungen werden Putin genauso wenig imponieren, wie die Appelle europäischer Regierungschef*innen. Eine schnelle Energiewende, mehr Geld für eine sozial-ökologische Transformation sind wichtig – kurzfristig helfen sie den Menschen in der Ukraine nicht.

Den Menschen in der Ukraine zuhören. Vertreter der polnischen Linkspartei Razem fordern Waffen für den Nachbarn, humanitäre Hilfen und harte Sanktionen gegen Russland

Welche Wirtschaftssanktionen befürwortet werden, bleibt unklar. Die Hilflosigkeit ist verständlich. Doch ein Antikriegsbündnis kann den Standpunkt der Betroffenen nicht ignorieren, genauso wie im Kontext von häuslicher Gewalt, Rassismus und Kolonialismus nicht auf Stimmen der Betroffenen verzichtet werden kann. Die gesellschaftliche Linke muss eine neue Strategie entwickeln, mit dem Angriffskrieg umzugehen – und die osteuropäischen Linken mit ins Boot holen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -