- Sport
- Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga
Die Lage in Berlin spitzt sich zu
Hertha BSC entlässt nach der Niederlage in Mönchengladbach seinen Trainer
Als die Fans von Hertha BSC aus Frust über die nächste Pleite ihrer Mannschaft die Plexiglasscheiben im Gästeblock mit den Fäusten traktierten, schlüpfte Tayfun Korkut erst einmal in seine schwarze Winterjacke. Das wärmende Textil hatte der Cheftrainer der Berliner eine Stunde zuvor abgelegt. Offensichtlich überkamen den 47-Jährigen bei der erneut mauen Darbietung seines Teams vor der Pause Hitzeschübe - deshalb verfolgte er das Treiben auf dem Rasen des Borussia-Parks fortan lieber in der dunkelblauen Strickjacke, die er über seinem hellblauen Hemd trug.
Dass Tayfun Korkut seine Bekleidungsstücke am kommenden Sonnabend beim Heimspiel von Hertha BSC gegen Hoffenheim nicht mehr als Bundesligacoach auswählen wird, war nach dem 0:2 der Berliner in Mönchengladbach abzusehen. Geschäftsführer Fredi Bobic, der einen Punktgewinn vorab für »unausweichlich« erklärt hatte, wollte über die Entscheidung in der Trainerfrage noch eine Nacht schlafen. Als die dann um war, dauerte es noch bis zum späten Sonntagvormittag, ehe der Hauptstadtklub Bobic via Pressemitteilung erklären ließ: »Wir haben offen und klar die Entwicklung der Leistungen und Ergebnisse der neun Rückrundenspiele analysiert und sind zu dem Entschluss gekommen, eine nochmalige Veränderung auf der Trainerposition vorzunehmen.«
Nach nur 104 Tagen als Hertha-Coach muss Korkut also schon wieder seine Sachen packen, auch sein Assistent Ilija Aracic wurde freigestellt. Unter allen Trainern, die sich in den letzten 25 Jahren mindestens über vier Bundesligaspiele hinweg bei Hertha BSC versuchten, war nur einer erfolgloser als der gebürtige Stuttgarter: Michael Skibbe ergatterte im Winter 2011/2012 bei seinen vier Einsätzen auf der Berliner Bank nicht einen einzigen Zähler. Korkuts ähnlich niederschmetternde finale Bilanz mit der Alten Dame lautet: Neun Punkte in 13 Partien im Fußballoberhaus, macht einen dürftigen Schnitt von 0,69 Punkten. Das Ende dieses Missverständnisses ist eine Folge von vielen Fehlern in der Vergangenheit.
Bei den Gladbachern, die sich mit sieben Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang wieder Luft im Abstiegskampf verschafft haben, geisterte dagegen mal wieder der Begriff Befreiungsschlag durch die Flure. Christian Peintinger wollte davon nach dem ungefährdeten Sieg über die Hertha allerdings nichts wissen. Schließlich verfolgt der Assistent von Adi Hütter, der seinen mit dem Coronavirus infizierten Chef am Samstag vertrat, die Geschicke des Fohlenensembles mittlerweile seit achteinhalb Monaten - und machte dabei als Hauptkonstante Unbeständigkeit aus. »Das war eine rundum gute Leistung, auf der man aufbauen kann«, erwähnte Peintinger, ließ jedoch auch mehrfach das große Gladbacher Aber in dieser Saison einfließen: »Das ist das Problem - nach einer guten Leistung verfallen wir immer wieder in Lethargie. Die Mannschaft hat das Potenzial, doch wir müssen schauen, dass wir uns das kontinuierlich erarbeiten.«
Bei den auf einen direkten Abstiegsplatz abgestürzten Berlinern nichts mehr erarbeiten wird Tayfun Korkut. Allerdings machte der jüngste Auftritt der Hertha auch deutlich, dass die Leistungsfähigkeit des Teams, das zuletzt fünf Niederlagen in Serie mit fatalen 3:17 Toren produzierte, aktuell sehr limitiert ist.
»In unserer Situation müssen wir den Ball eigentlich reinkämpfen, um das Momentum auf unsere Seite zu ziehen. Das haben wir nicht geschafft«, erklärte Boss Bobic im Borussia-Park ernüchtert - und kommentierte damit auch die individuellen Fehler bei den beiden Gladbacher Toren durch Alassane Plea und Matthias Ginter: »Das zieht sich durch die letzten Wochen, das kannst du nicht wegtrainieren.« Ein neuer Übungsleiter wird sich dieser herausfordernden Aufgabe trotzdem widmen. »Über die Nachfolge auf dieser Position werden wir informieren, sobald diese Personalie abschließend geklärt ist«, hieß es in der Hertha-Mitteilung.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.