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Eine letzte Chance in Berlin
Wie Trainer Felix Magath Hertha BSC retten will - und wer davon profitiert
Der Neuanfang bei Hertha BSC trägt einen in der Bundesliga altbekannten Namen. Felix Magath saß am Montag auf dem Podium des Medienraums. Die ersten Worte bei der Vorstellung des neuen Trainers gehörten mit Fredi Bobic jenem Mann, der einen Tag zuvor erst Tayfun Korkut entlassen und dann Magath als dessen Nachfolger verpflichtet hatte. »Danke dir Felix, dass du diese schwere Aufgabe annimmst«, sagte der Sportchef. Dass der zweite Trainerwechsel bei den Berlinern in dieser Saison vielleicht auch die letzte Chance für Bobic selbst ist, davon sollte keine Rede sein. Allen Fragen zu seiner eigenen Verantwortung stelle er sich gern nach dem 34. Spieltag.
Unbelastet kann und will Magath in den Kampf um den Klassenerhalt ziehen. Was vorher war und zum Absturz der Berliner auf einen Abstiegsplatz geführt hat? »Das ist jetzt nicht wichtig«, sagte der 68-Jährige. All die störenden Nebengeräusche mit dem jüngsten Abgang von Sportdirektor Arne Friedrich und dem bedrohlichen Dauerzwist zwischen Verein und Investor Lars Windhorst interessieren ihn ebenso wenig. Vollkommen egal sei es, was hier gelaufen ist. »Jetzt zählt allein das kommende Spiel gegen Hoffenheim.«
Die einzig rückblickende Kritik formulierte Magath besonnen. Etwas unkoordiniert habe das Auftreten der Mannschaft gewirkt. Dass bei Hertha BSC sehr viel mehr im Argen liegt, scheint aber auch dem neuen Trainer zu Ohren gekommen zu sein. Hätte er sonst bei seiner Forderung nach »einer breiten Unterstützung« für den Verein - plötzlich mit viel Pathos - auch die Bitte um Hilfe »der ganzen Stadt Berlin« geäußert? Ein Abstieg ist nie schön. Für die Alte Dame aus der Hauptstadt könnte er jedoch dramatische Konsequenzen haben. Schon in der Vorwoche hatte Lars Windhorst einen Machtkampf für die Mitgliederversammlung im Mai angekündigt. 375 Millionen Euro hat der Investor seit Sommer 2019 in den Verein gepumpt. »Das Geld ist weg«, erklärte Bobic Ende Februar. Über fehlendes Mitspracherecht klagt Windhorst seit jeher, sein Ärger über die aktuelle Negativentwicklung ist unweit größer. In welcher Form und über wen er jetzt versucht, verstärkt Einfluss zu nehmen, darüber kann nur spekuliert werden. Den Fakt an sich verneinte Fredi Bobic in der Frage zur Trainerentscheidung am Montag ausdrücklich nicht: »Ich habe viele Telefonate führen müssen.«
Wie wichtig es in dieser Situation sei, die komplette Konzentration auf das Sportliche zu lenken, betonten der neue Trainer und der Sportchef gleichermaßen. Magath könnte dafür durchaus der richtige Mann sein. Dessen Eignung beschrieb Bobic wie folgt: eine »starke Persönlichkeit mit viel Erfahrung«. Er führe eine Mannschaft »mit harter Hand«. Das Wort »Disziplin« fiel mehrmals. Magath selbst sieht die Aufgabe »wie zugeschnitten« auf sich. Dabei verwies er auf seine Fähigkeiten als »Feuerwehrmann«. Auf seiner bislang letzten Trainerstation in China hatte er vor sechs Jahren Shandong Luneng vor dem Abstieg gerettet. Zuvor war ihm das in der Bundesliga auch beim Hamburger SV, mit dem VfB Stuttgart, beim VfL Wolfsburg und mit Eintracht Frankfurt gelungen.
Magath verwies am Montag eindringlich darauf, dass es nicht um Personen, sondern allein um Hertha BSC ginge. Ganz uneigennützig macht er es dennoch nicht. Die Freude über die Rückkehr in die Bundesliga nach fast zehn Jahren war ihm schon anzusehen. Dafür hatte er sich vor nicht mal einem Monat auch in Stellung gebracht. Im Fachmagazin »kicker« war beispielsweise zu lesen: »Ich habe alles erlebt und einen Erfahrungsschatz wie kaum ein anderer. Ich weiß, wie der Fußball funktioniert, weil ich in allen Ligen gespielt, in verschiedenen Positionen und Klubs gearbeitet habe. Ich weiß, was ich kann - und dass ich noch in der Lage bin, Profiklubs zu helfen.« In Berlin eröffnet sich dem dreimaligen Meistercoach nun die unverhoffte Chance, sein Können nochmals in der Bundesliga zu beweisen. Gelingt ihm mit Hertha BSC in den acht ausstehenden Spielen der Klassenerhalt, ist er wieder im Geschäft. So funktioniert der Trainermarkt.
Eine letzte Chance könnte der Trainerwechsel für Fredi Bobic sein. Es ist unwahrscheinlich, dass er im Abstiegsfall bleiben darf. So oft er auch auf die Fehler der Vergangenheit verweist, die Verein und Mannschaft immer noch verfolgen würden - seine eigene Bilanz bei Hertha BSC seit vergangenem Juni ist ebenso wenig erfolgreich. Seine Spielerverkäufe und Neuverpflichtungen haben das Team nicht besser gemacht. Ein kompletter Fehlgriff war Trainer Tayfun Korkut, der in 13 Spielen von 39 möglichen Punkten nur neun holen konnte. Und die schlechte Stimmung innerhalb der Mannschaft macht er mit öffentlichen Aussagen wie dieser nicht besser: »Die Spieler haben erkannt, dass sie das Problem sind.« Damit wollte Bobic Anfang März noch seinen Trainer Korkut retten, jetzt muss Magath ihn und Hertha retten. Leicht wird es nicht.
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