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Freitesten heißt noch nicht gesund
Leistungssportler sind bei zu schneller Rückkehr nach Corona-Infektionen gefährdet
Das Kinn hatte Bo Svensson auf die linke Hand gestützt, auf seiner Stirn zeichneten sich immer wieder Falten ab. Die sorgenvolle Miene, die der Trainer des FSV Mainz 05 am Tag vor dem Nachholspiel gegen Borussia Dortmund an diesem Mittwoch an den Tag legte, war nur allzu verständlich. Svensson, 42, war selbst von dem Corona-Ausbruch im Klub dermaßen betroffen, dass er am Wochenende kaum die heimische Treppe hochkam. Einige Spieler hatte es noch schlimmer erwischt, am ärgsten Stürmer Delano Burgzorg. Beim 23-Jährigen wurde laut Svensson »eine leichte Herzmuskelentzündung« festgestellt. »Für alle, die denken, wenn man negativ ist, dann ist man auch spielfähig, ist er das beste Beispiel, dass es nicht so ist.« Der Niederländer habe jetzt »Pause bis auf Weiteres«, auch wenn das Coronavirus bei ihm nicht mehr nachweisbar ist.
Die Ende Februar ausgelöste Infektionskette - betroffen waren 20 Personen, darunter 14 Profis - wirkt noch nach. »Wir haben heute die letzten Spieler freigetestet, aber sie sind auf einem sehr unterschiedlichen Stand«, berichtete Svensson am Dienstag. Gleichwohl setzt er darauf, gegen den Zweiten aus Dortmund halbwegs konkurrenzfähig zu sein. Nach dem ersten größeren Corona-Ausbruch vor Saisonstart hatte eine Mainzer Rumpfelf am ersten Spieltag RB Leipzig sogar besiegt.
Der Trainer tendiert dazu, überwiegend nicht erkrankte Spieler aufzustellen und dazu einige aus dem in der Regionalliga erfolgreichen U23-Team zu nehmen. Denn diesmal hatten nur drei Infizierte keine Symptome. Insbesondere die medizinische Abteilung des Vereins rät zur Vorsicht. Seit vielen Jahren kooperiert sie mit der Uniklinik Mainz: Herz- und Pulsmessungen hatten dort auch am Wochenende noch teils erhebliche Auffälligkeiten bei Belastungen der Profis ergeben.
Dem Mainzer Antrag auf eine Verlegung des ursprünglich für den 6. März angesetzten Heimspiels gegen Dortmund gab die Deutsche Fußball-Liga (DFL) damals erst statt, als mit Robin Zentner, Finn Dahmen und Lasse Rieß alle drei Torhüter per PCR positiv getestet worden waren. Laut Spielordnung müssen unter den erforderlichen 16 Spielern »mindestens neun Lizenzspieler, darunter ein Torwart« sein. Aus diesem Grund strich die DFL auch noch den am vergangenen Sonnabend vorgesehenen Mainzer Auftritt beim FC Augsburg, was zu erheblichen atmosphärischen Störungen beider Klubs führte.
Christian Heidel, Mainzer Sportvorstand, regt eine Änderung der Regularien an. Für ihn passen die Paragrafen bei der Einstufung von Verletzten und Gesperrten nicht mehr - denn sie gelten offiziell wieder als spielfähig. Er fordert daher generell ein Umdenken: »Die Gesundheit der Spieler muss im Vordergrund stehen. Freitesten ist nicht gleich gesund.« Er verstehe auch nicht, warum die DFL die Partie so schnell neu ansetzte, schließlich spielt Dortmund nicht mehr international.
Die rasche Wiederaufnahme des Spielbetriebs und Reintegration genesener Akteure hat sportartenübergreifend Methode. Am besten noch in der Quarantäne fit halten, dann schnell negativ testen - und weiter geht’s: So hatte es auch der Nordische Kombinierer Eric Frenzel bei den Olympischen Spielen in Peking versucht - und war in der Staffel fast kollabiert, weil der geschwächte Körper der Belastung nicht standhielt. In der aus Mainz herausgegebenen »Sportärztezeitung« warnen mehrere renommierte Mediziner vor der zu schnellen Rückkehr in den Leistungssport nach einer Covid-Infektion.
Jochen Veit, Mannschaftsarzt des Eishockeyklubs Iserlohn Roosters, hat einen Corona-Ausbruch genauer untersucht. Seine Ergebnisse sind alarmierend, die Gefahren bleibender Herzschäden real. Nur anhand negativer Coronatests das Training wieder aufzunehmen, hält Veit für »brandgefährlich«. Die gängige Praxis bei der Handball-EM, die Akteure noch im Turnier wieder einzusetzen, kritisierte er scharf: »Das Risiko wäre für mich viel zu groß. Ich möchte später nicht verantwortlich sein, dass jemand später eine Herzrhythmusstörung hat oder auf dem Platz zusammenbricht.« Man könne sich an der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention orientieren, die auch bei einem asymptomatischen Verlauf eine Pause von zwei Wochen empfiehlt. Das sollte auch für Leistungssportler gelten. Egal, wie fit sie vorher waren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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