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Warum meine Infektion in keiner Statistik auftaucht
Jeja nervt: Über Eigenverantwortung in der Pandemie – mit einer Corona-Infektion
Ziemlich genau einen Monat ist es nun her, dass auch ich mich mit dem Coronavirus angesteckt habe. Wie viele andere auch war ich in den Wochen zuvor ständig überzeugt: Jetzt habe ich es. Eine triefende Nase, unangenehmes Schlucken, Erschöpfung - aber dann ein negativer Schnelltest. Ausgerechnet den entscheidenden Moment habe ich dann überhaupt nicht als möglichen Beginn einer Covid-Erkrankung interpretiert. Das ausgetrocknete Gefühl in Nase und Rachen, das ich beim nächtlichen Aufwachen bemerkte, schob ich darauf, zu viel Zeit in einem zu stark geheizten Raum verbracht zu haben. Erst in der nächsten Nacht überprüfte ich mich mit einem Test. Es dauerte nur Sekunden, da leuchtete der Streifen neben dem »T« in der Signalfarbe Rot. Beim zweiten Test dasselbe.
Wie so viele andere auch, bin ich in den vergangenen Monaten so eine Art Corona-Laienexpert*in geworden. Meine Symptome ließen nicht nur den Schluss zu, dass die Schnelltests definitiv kein falsch-positives Ergebnis produziert hatten. Ich konnte auch aus dem Stegreif sicher sagen, dass es Omikron und nicht Delta gewesen war, was mich erwischt hatte. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, mich hundeelend fühlte und sich mein Emotionshaushalt schon mal auf das Folgende einstellte, beschloss ich: Ich stehe jetzt nicht auf, ziehe mich nicht an, laufe nicht ins Kalte hinaus und gefährde dabei womöglich noch andere - nur, um auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Testcenter beim Betteln um einen PCR-Test gedemütigt zu werden.
Jeja Klein ist eine dieser Gender-Personen aus dem Internet und nörgelt einmal die Woche an Kultur und Politik herum. dasnd.de/jejanervt
Wie wir alle hatte schließlich auch ich mitbekommen, dass nichts an den staatlichen Strukturen rund um das Coronavirus ordentlich funktioniert. PCR-Testkapazitäten waren nicht ausgebaut, sondern offiziell beschränkt worden. Eine Kontaktnachverfolgung durch das Gesundheitsamt, wusste ich nicht nur von Infizierten aus meinem Umfeld, würde es definitiv nicht geben. Und mit einer offiziell registrierten Infektion geht die Möglichkeit einher, sich nach sieben Tagen mit Schnelltests freizutesten, auf deren Sensitivität kein Verlass mehr ist. Kontakte informierte ich, natürlich, selbstständig. Ach, und die Corona-Warnapp: Bleiben Sie denn zu Hause, nur weil ihr Handybildschirm wieder rot leuchtet?
Statt mich also selbst zu quälen, nur, um in einer Statistik aufzutauchen, die politisch sowieso kein Schwein mehr interessiert, konzentrierte ich mich - ganz eigenverantwortlich! - auf mich selbst, sowohl gesundheitlich als auch moralisch. Die körperlichen, aber auch die emotionalen Folgen der Infektion - das Alleinsein, die Isolation und die Ungewissheit, ob nicht doch noch plötzlich eine Verschlechterung hin zu einem schwereren Verlauf mit Einweisung in ein Krankenhaus oder gar Beatmung folgen würden -, waren schlimm. Wobei »Einweisung« so schön passiv klingt. In Wahrheit wird in diesen Tagen viel darum gekämpft, dass Erkrankte in den Häusern überhaupt aufgenommen oder nicht viel zu früh wieder nach Hause geschickt werden.
Es ist lange her, dass ich mich so mies gefühlt habe. Dann noch durch eine Tür von den Menschen getrennt zu sein, die Medikamente gegen die Symptome, Lebensmittel und weitere Selbsttests vorbeibringen, während man so gern die Zeit mit ihnen verbringen würde, macht, dass man seine Lage nicht mal verdrängen kann.
Wenn ich registriert worden wäre, hätte ich nach zehn Tagen testlos aus der Quarantäne gedurft. Aber sogar die Selbsttests, die inzwischen nur noch bei hoher Viruslast anschlagen, waren noch einige Tage länger positiv. Als endlich der erste negative Test kam, zögerte ich meine Wiedervereinigung mit der Gesellschaft noch weiter hinaus. Einfach weil ich wusste, dass ich wohl nach wie vor jemanden hätte anstecken können.
Wirklich gut geht es mir bis heute nicht. Und wie Millionen andere horche ich dieser Tage auf mögliche Long-Covid-Symptome. Alles nur, weil sich der Staat völlig davon zurückgezogen hat, das Infektionsgeschehen managen zu wollen. Danke für nichts.
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