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Echte und falsche?
Hinter dem Umgang der Deutschen mit Geflüchteten aus der Ukraine steckt Rassismus
Meine Großeltern kamen Anfang der 90er Jahre als politisch Verfolgte nach Deutschland und beantragten Asyl. Mehrere Jahre lebten sie in Lagern, mal in Containern, mal in leer stehenden Hotels, die zu Geflüchteten-Unterkünften umfunktioniert wurden. Ein Besuch bei den Großeltern, Tanten und meinem Onkel bedeutete, auch Amira wiederzusehen. Amiras Familie war vor Ratko Mladić geflohen. Wie lange sie schon in dem Lager lebte, wusste ich nicht. Sie sollte, wie meine Großeltern, nur eine Duldung erhalten und mit diesem »Status« jahrelang leben. In der Grundschule erhielt ich eines Tages die Nachricht, dass sie abgeschoben wurde. Genauso wie mein damaliger Klassenkamerad Edin. Der Jugoslawien-Krieg war vorbei. Die Menschen sollten zurück.
Nie habe ich mich so oft an diese Zeit zurückerinnert wie in den letzten drei Wochen. Die Bilder aus der Ukraine, die persönlichen Geschichten in den Erstaufnahmestellen - alles scheint so oder so ähnlich, auch in Europa, schon einmal da gewesen zu sein. Während viele Parallelen zu 2015 ziehen, muss ich an Amira und Edin denken. Wie geht es Bosniak*innen und Albaner*innen gerade? Eine Freundin, deren Familie aus dem Kosovo geflohen war, sagt mir, die Bilder aus der Ukraine und Putins »Argumentation« für den Angriffskrieg retraumatisieren ihre Eltern. Ein Bekannter aus Bosnien sagt, er könne es nachvollziehen, warum die Ukrainer*innen sich verteidigen. Auch seine Familie hat Srebrenica überlebt.
Noch immer glauben viele Deutsche, dass dies der erste Krieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg sei. Selbst der Bundeskanzler sprach von einem Krieg in Europa nach über 70 Jahren Frieden. Es verwundert deshalb kaum, wenn nicht nur auf politischer, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene ein völlig realitätsfremder Diskurs stattfindet. Während die Lager auf Lesbos, in Moria immer noch nicht evakuiert sind, an der polnisch-belarussischen Grenze Menschen erfrieren und sterben, greift in Europa plötzlich die Richtlinie 2001/55/EG. Die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie wurde 2001 als Antwort auf die Fluchtbewegung während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien geschaffen. Aktiviert wurde sie erst jetzt. Warum nicht schon 2015, um damit die unbürokratische Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan, Eritrea usw. zu sichern und viele Tote an den Außengrenzen und vor allem in Lagern wie Moria zu verhindern, bleibt unverständlich. Der einzige Grund, der mir einfällt, ist Rassismus. Das wurde jetzt auch in diversen Talkshows unter Beweis gestellt. Mit der Unterscheidung zwischen »echten und falschen Flüchtlingen« und »Flüchtlinge vs. Vertriebene« ging es schon recht früh los. Wie nichtweiße Menschen, die aus der Ukraine flüchten mussten, unter ihnen Tausende Studierende aus Nigeria, Marokko oder Indien, an den Grenzen und darüber hinaus behandelt wurden, konnte jede*r, dank Dokumentation der Betroffenen, sehen.
Auf den Gipfel treiben aber deutsche Politiker*innen die Ungleichbehandlung, wenn sie wie wie Franziska Giffey, Berlins Regierende Bürgermeisterin, davon sprechen, dass ukrainische Geflüchtete direkt nach Arbeit fragen würden, während andere Geflüchtete (machen wir uns nichts vor, sie meint Muslime und Nichtweiße) nur vom Staat leben wollten. Wo Giffey die ukrainischen Geflüchteten getroffen hat, die direkt nach ihrer Flucht aus dem Krieg erzählt haben sollen, dass sie in Deutschland gerne arbeiten würden, hat sie nicht gesagt. Und während in Erstaufnahmestellen und Bahnhöfen ehemalige Geflüchtete aus Afghanistan als freiwillige Helfer*innen bereitstehen und selbstverständlich Unterstützung anbieten, instrumentalisieren andere das Leid der Ukrainer*innen und anderer Geflüchteter für ihre Politik.
Von dem »Sie kommen aus dem gleichen Kulturkreis wie wir« lassen wir uns nicht blenden. Geflüchtete sind Geflüchtete. Es wird nicht lange dauern, dann wird wieder unverfroren gegen alles gehetzt, was slawisch oder vom Balkan ist. Wir haben weder die brennenden Asylunterkünfte vergessen noch Pegida.
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