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Die CDU-Fraktion als Hotspot

Sachsens Regierungschef Kretschmer blitzt mit Coronaplänen in den eigenen Reihen ab

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Rückendeckung aus Berlin kam zu spät. Bei den aktuellen Fallzahlen und der Belastung der Krankenhäuser sei der »Plan, Sachsen zum Hotspot zu machen, richtig«, schrieb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf Twitter. Einen solchen Plan hatte laut »Freie Presse« und »Leipziger Volkszeitung« Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Sein Ziel wäre gewesen, Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht beim Einkaufen über den 2. April hinaus zu verlängern. Dafür hätte der Landtag in einer Sondersitzung am 29. März die epidemische Lage feststellen müssen – wozu es aber nicht kommt.

Dafür sorgte ausgerechnet die CDU-Fraktion, die ihrem Regierungschef die Gefolgschaft verweigerte. Ihr Chef Christian Hartmann erklärte, die Überlastung des Gesundheitssystems sei »aktuell nicht zu erkennen«; zugleich handle es sich bei den Schutzmaßnahmen um »Grundrechtseingriffe«. Nur bei einem »signifikanten Anstieg« der Zahlen in Krankenhäusern werde man die Lage neu bewerten. Für Kretschmer wurde damit die eigene Fraktion zum Hotspot, auch wenn Hartmann betonte, man arbeite mit ihm vertrauensvoll zusammen. Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt warf der Regierung freilich vor, ein »unsägliches Schauspiel« zu liefern: »Souveränes Regieren sieht anders aus.« Die Koalitionspartner Grüne und SPD zeigten sich überrascht von Kretschmers Idee. Franziska Schubert, Fraktionschefin der Grünen, sagte, es wäre besser gewesen, sie intern abzusprechen, »bevor man damit rausgeht«.

Die reinen Coronazahlen hätten das Vorhaben Kretschmers womöglich gerechtfertigt. Am Dienstag gab es in Sachsen 17 999 Neuerkrankungen; bei der Inzidenz liegt der Freistaat mit 2139 auf Platz 5 der Länder, weit über dem bundesweiten Wert von 1734. Auf Normalstationen der Krankenhäuser liegen 1577 Corona-Patienten. Der Wert überschreitet seit nunmehr acht Tagen die vom Land bei 1300 angesetzte Überlastungsstufe.

Gleichzeitig wird Corona in der Bevölkerung immer weniger als Problem angesehen. Laut der jüngsten Cosmo-Studie der Uni Erfurt sinkt bundesweit das gefühlte Risiko einer Infektion, obwohl ihre Wahrscheinlichkeit steigt. 38 Prozent seien pandemiemüde. In Sachsen dürfte die Zahl Überdrüssiger und Skeptischer noch höher liegen. Hier verharrt die Impfquote für den Zweifachschutz bei nur 64 Prozent, eine Auffrischungsimpfung hat sich bisher nicht einmal jeder Zweite geholt. Proteste gegen die Coronapolitik haben weiter Zulauf; am Sonntag demonstrierten in Dresden 4000 Menschen. Die AfD schürt den Verdruss. Ihr Fraktionschef Jörg Urban warf Kretschmer vor, sich als »Hardliner« profilieren zu wollen; außer Sachsen wolle sich kein anderes Bundesland flächendeckend zum Hotspot erklären. Man müsse »endlich zur Normalität zurückkehren«, sagte er.

Solche Aussagen erfolgen auch mit landespolitischem Kalkül. In Sachsen werden im Juni neun von zehn Landräten neu gewählt. Bisher gibt es nur Amtsinhaber von der CDU. Die AfD rechnet sich aber Chancen aus, etwa in Ostsachsen einige der Posten zu erobern und der CDU nach der Bundestagswahl 2021 eine erneute empfindliche Niederlage beizubringen. Deren Abgeordnete werden das im Hinterkopf gehabt haben, als sie die Verlängerung der Corona-Maßnahmen ablehnten.

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