Lkw-Streik weitet sich aus

Spaniens Regierung reagiert nur zögerlich auf die Ausstände im Land

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach fast zwei Wochen Trucker-Streiks wird die Lage für die Ökonomie in Spanien kritisch, die Versorgungslage für die Verbraucher spitzt sich zu. Nun ist der Versuch der sozialdemokratischen Regierung gescheitert, die Lkw-Fahrer gegeneinander auszuspielen. Die Regierung von Pedro Sánchez diffamierte zunächst die selbstständigen Fahrer, die mit dem Streik begonnen haben, und verhandelte weiterhin nicht mit dem Streikkomitee. Stattdessen will die Regierung die großen Verbände, die bisher nicht gestreikt hatten, mit Diesel-Subventionen im Umfang von 500 Millionen Euro kaufen. Trotzdem sind am Dienstag auch drei größere Verbände mit 70 000 Lastwagen in den Streik getreten. Sie halten den bisherigen Vorschlag für ungenügend und fordern Direktsubventionen.

Ein Treffen mit dem größten Verband der Transportunternehmer wurde nun eilig auf Donnerstag vorgezogen. Man habe »konkrete und effiziente« Maßnahmen im Gepäck, erklärte Transportministerin Raquel Sánchez. »Wir werden den Dialog mit den legitimen Vertretern des Sektors fortführen.«

Sie und andere Regierungsvertreter behaupten, hinter dem Streik stünden rechtsradikale Kräfte. Es sei kein Streik, sondern ein »Boykott«, um die Regierung zu Fall zu bringen, argumentieren die Sozialdemokraten an der fatalen sozialen Lage der selbstständigen Fahrer vorbei. Denn die legen angesichts der gestiegenen Dieselpreise bei ihren Fahrten drauf. Sie können auch die Inflation nicht an die Auftraggeber weitergeben, die schon vor dem Ukraine-Krieg im Februar auf 7,5 Prozent angestiegen war.

Verhindern will die Regierung vor allem, dass sich auch der Mehrheitsverband dem Streik anschließt. Der »regierungstreue« Verband, wie ihn die Zeitung El País nennt, hat der Regierung nun ebenfalls ein Ultimatum gestellt.

Die Lage im Land hatte sich bereits vor der Unterstützung durch größere Verbände zugespitzt. Es gibt schon seit Dienstag an etlichen Billigtankstellen keinen Sprit mehr. Supermärkte sind wegen fehlender Produkte schon geschlossen. Der Milchproduktehersteller Danone stellt ab Donnerstag seine Produktion ein. Auch Stahlwerke sind diesen Schritt bereits gegangen. Der Lkw-Streik kommt für sie zu extremen Strompreisen hinzu, welche die Regierung angeblich begrenzen will.

Immer mehr Industriebetriebe schließen ihre Pforten ganz oder teilweise. Im Baskenland etwa ruhte zu Wochenbeginn die Produktion bei Mercedes, da Teile fehlten. Ähnlich sieht die Lage bei Volkswagen in Pamplona aus, auch der große Zug- und Straßenbahnhersteller CAF musste den größten Teil seiner Produktion einstellen. Auch Fischer fahren wegen hoher Treibstoffpreise derzeit nicht raus. Zum einen ist die Fischerei kaum noch rentabel, zum anderen fürchten sie ihre Fangquoten aufzubrauchen, aber dann wegen des Streiks auf dem Fisch sitzen zu bleiben. Auch die größeren und wichtigeren Teile der Ökonomie sind betroffen, weshalb die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr schon deutlich nach unten korrigiert wurden.

Damit braut sich für die Sánchez-Regierung ein gefährlicher Cocktail zusammen. Sollte die Regierung nun die Lkw-Verbände subventionieren, werden auch andere Sektoren auf die Barrikaden gehen. Die Landwirte sind ohnehin schon auf der Straße: Am Wochenende haben in Madrid mehr als 100 000 Landwirte, Viehzüchter und Jäger protestiert, die wegen immer höherer Kosten für Treibstoff, Dünger und Futtermittel ebenfalls nicht mehr rentabel produzieren können. Auch für sie kommt derzeit hinzu, dass ihre Produkte nicht abtransportiert werden. Auf den Äckern verfaulen Erdbeeren, Kohlköpfe und Spargel. Die Milch fließt in Abwasserkanäle. Hier stimmt es, dass die rechtsextreme VOX-Partei und ihre Pseudo-Gewerkschaft »Solidarität« hinter dem Aufruf standen.

Bislang gibt es keine Hinweise, dass die Regierung die strukturellen Probleme angeht. Der Umgang mit dem Lkw-Streik zeigt eher, dass die Sozialdemokraten weit entfernt von der sozialen Lage im Land sind und Vorstöße des linken Koalitionspartners »Unidas Podemos« ausbremsen.

Möglich wäre zum Beispiel, zumindest zeitweise die Mehrwertsteuer auf Treibstoff zu senken. Vor allem müsste gegen die Spekulationsgewinne der Oligopole vorgegangen werden, um die Wirtschaft und die Bevölkerung zu entlasten, denn die Treibstoffpreise lassen sich über hohe Ölpreise nicht legitimieren. 2008 war der Ölpreis monatelang deutlich höher, doch die Spritpreise waren etwa ein Drittel niedriger.

Hinzu kommen Milliarden Euro, die aufgrund eines absurden Tarifsystems auf die Stromproduzenten herabregnen, weil der Strompreis nach der teuersten Erzeugungsart bezahlt wird, statt ihn nach den realen Kosten zu ermitteln.

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