- Wirtschaft und Umwelt
- Kriegsschiffe
Werftenrettung durch Rüstungsdeals
U-Boot-Bauer Thyssen-Krupp schielt auf Wismarer Werften
Die Kieler Werft Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) beschäftigt aktuell rund 3200 Menschen, hinzu kommen rund zehntausend Zulieferer allein in Schleswig-Holstein. Sie alle haben unruhige Zeiten hinter sich, denn der Konzern schien in den vergangenen Monaten ohne Kompass unterwegs zu sein. Erst strebte man wegen der übermächtigen Konkurrenz in Westeuropa eine staatliche Beteiligung an. Dann drohte Thyssen-Krupp, man werde sich generell vom Schiffbau zurückziehen. Konkurrenten wie Fincantieri oder Saab aus Italien formulierten ebenso wie die Naval Group aus Frankreich bereits Angebote. Lukrativ wäre der Kauf gewesen, die Kieler Werft ist weltweit nicht nur technologisch die Nummer eins beim Bau konventioneller U-Boote, sondern auch mit Aufträgen bis 2034 ausgelastet.
Zuletzt hatte die Kieler Werft milliardenschwere Aufträge zum Bau von sechs U-Booten für Deutschland und Norwegen abgeschlossen. Weitere drei sind für Israel bestimmt. Der U-Boot-Bauer selbst bestätigt eine »sehr gute Auslastung« und teilt gegenüber dem NDR gleichzeitig mit: »Im Zuge dessen gibt es auch Überlegungen über Kapazitätserweiterungen in Deutschland, um die Produktion der aktuellen Aufträge bestmöglich und vor allem zeitnah abwickeln zu können.«
Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erahnen, was den Thyssen-Krupp-Managern da parallel zum Ukraine-Krieg durch den Kopf geht. Das von der rot-grün-gelben Bundesregierung aufgelegte 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr sowie die zusätzliche Steigerung des jährlichen Verteidigungsetats wecken auch an der Küste Begehrlichkeiten. Im Gespräch sind unter anderem zwei zusätzliche U-Boote für die Deutsche Marine. Doch auch im Bereich der Überwasserkriegsschiffe will man stärker mitmischen. Dass man unter der Regie von TKMS Fregatten und Korvetten bauen kann, beweisen Exporte nach Israel oder Algerien. Allerdings ließ man die durch Unterauftragnehmer wie dem German Naval Yards (GNYK) bauen. Grund: Kapazitäts- und Platzgründe.
Beides ließe sich beseitigen, wenn sich TKMS Richtung Osten ausdehnen kann. Seit rund drei Monaten sucht man in Mecklenburg-Vorpommern Investoren für die insolventen MV-Werften. Für den Standort Wismar könnte sich also eine innerdeutsche Lösung abzeichnen. Die Pleitewerft in Stralsund war Anfang März von der Stadt gekauft worden, das Bieterverfahren für die Werften in Rostock und in Wismar läuft noch. Der Insolvenzverwalter Christoph Morgen hat für Gebote eine Frist bis Anfang April gesetzt.
Der Bau von Kriegsschiffen gilt bei der Bundesregierung als Schlüsseltechnologie, die national behauptet werden müsse. Mit der Übernahme der Wismarer Werft hätte man drei gewichtige Player beisammen: TKMS, GNYK und die Bremer Lürssen Werft, die auch in Wolgast produziert. Wie eng verbandelt Regierungsbeschaffer und Werften sind, zeigt sich gerade am Beispiel der Lürssen-Tochter NVL. Sie erhielt 2021 den Zuschlag zum Bau von zwei Marinetankern. 570 Millionen Euro waren ursprünglich eingeplant, fast 915 Millionen Euro werden die Schiffe den Steuerzahler kosten. Und das obgleich unter anderem der Bundesrechnungshof vor den überzogenen Herstellerforderungen gewarnt hatte.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.