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Die Kompassnadel zeigt nach Osten

Die EU-Staaten wollen bis 2025 eine schnelle Eingreiftruppe mit 5000 Soldaten aufbauen

  • Fabian Lambeck, Brüssel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Europäische Union will Großmacht sein und unterfüttert diese Ambitionen mit einer Militärstrategie. Auf dem am Donnerstag in Brüssel beginnenden EU-Gipfel soll dieser »Strategische Kompass« endgültig verabschiedet werden. Die EU-Außen- und Verteidigungsminister hatten bereits am Montag grünes Licht gegeben. Die Kompassnadel zeigt eindeutig nach Osten: China und Russland sind die geopolitischen Hauptgegner.

Wobei China als »Partner, ökonomischer Mitbewerber und systemischer Rivale« bislang im Fokus der strategischen Überlegungen stand. Doch der Einmarsch Russlands zwang die Autor*innen zu einigen Aktualisierungen, die auch im Ton deutlich aggressiver sind als der bisherige Text. Das zeigen Passagen aus dem Entwurf, die das Nachrichtenportal »Euractiv« nun veröffentlichte. »Indem wir die Ukraine gegen die militärische Aggression Russlands unterstützen, zeigen wir eine beispiellose Entschlossenheit, gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern den Frieden in Europa wiederherzustellen«, heißt es in dem aktuellen Entwurf.

Konkret soll bis 2025 eine schnelle Eingreiftruppe mit 5000 Soldaten aufgebaut werden, »zur Bewältigung verschiedener Arten von Krisen«. Zudem soll ebenfalls bis 2025 eine »militärische Planungs- und Führungseinheit« entstehen. Die EU will zudem »einen Austausch über nationale Ziele für höhere und verbesserte Verteidigungsausgaben führen«, wie es aus dem Rat heißt. Sprich: Die Union wird kräftig aufrüsten.

Tatsächlich beteiligen sich viele EU-Mitglieder schon jetzt am Krieg in der Ukraine - mit Waffenlieferungen und freiwilligen Kämpfern, die man ins Kriegsgebiet ausreisen lässt. Diese mehr oder weniger direkte Einflussnahme offenbart das neue Selbstverständnis der Europäischen Union. Und so gibt man sich im Entwurf auch kampfbereit: »Wir sind entschlossen, die europäische Sicherheitsordnung zu verteidigen«. Wobei die EU schon vor dem russischen Einmarsch half, »die Kapazitäten der ukrainischen Streitkräfte zu stärken«, wie der Europäische Rat im Dezember 2021 mitteilte.

Die Öffentlichkeit bekam davon nicht viel mit, verbarg sich die Militärhilfe doch hinter dem Wortungetüm »Europäische Friedensfazilität«, kurz EFF. Diese wurde im März 2021 eingerichtet, »um Maßnahmen der EU im Außenbereich mit militärischer oder verteidigungspolitischer Dimension zu finanzieren«, wie es beim Europäischen Rat heißt. Oder, wie es die Linke-Europaabgeordnete Özlem Alev Demirel ausdrückte: »Über die EFF sollen Militäreinsätze und Rüstungsexporte finanziert werden. Die EU wird dadurch zur Waffenhändlerin, es wird zudem zu mehr Militärinterventionen kommen, und das alles ungestört, weil es keine demokratische Kontrolle gibt.«

Tatsächlich dürften sich viele der in der Militärstrategie umrissenen Probleme über die Fazilität lösen lassen. Oder wie es das Bundesverteidigungsministerium formuliert: »Die EFF folgt dabei einem globalen Ansatz und ist nicht auf eine bestimmte Region begrenzt«. So unterstützte man im Rahmen der EFF Länder wie die Republik Moldau und Georgien, die Territorialkonflikte mit Russland haben. Auch das afrikanische Mali sollte Militärhilfe über die EFF erhalten. Die geopolitische EU, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorschwebt, wird so langsam Realität.

Als Grundlage für den »Strategischen Kompass« gilt die bereits im Jahr 2016 beschlossene EU-Globalstrategie. Hier ist von gemeinsamen Maßnahmen in den Bereichen Verteidigung, Cyber-Sicherheit, Terrorismus und Energiesicherheit ebenso die Rede wie von »verstärkter Kooperation mit internationalen Partnern«, insbesondere der Nato.

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht hier einen Paradigmenwechsel. Habe die Globalstrategie noch in der »Soft Power« der EU ein wirksames Instrument gesehen, stelle Brüssel nun »die Rückkehr der Machtpolitik« in den Mittelpunkt seiner sicherheitspolitischen Planungen, so die SWP.

Brüssel lässt also die Muskeln spielen - oder würde es zumindest gerne. Doch die 27-Mitgliedsstaaten haben teilweise sehr unterschiedliche Sicherheitsinteressen und strategische Prioritäten. Griechenland und Zypern etwa sehen in der Türkei die größte Bedrohung, die östlichen Mitgliedsstaaten schauen sorgenvoll nach Russland. Während Frankreich sein Projekt einer »strategischen Autonomie« vorantreibt, das die EU unabhängiger von der Nato machen soll, sehen viele osteuropäische Staaten den Nordatlantikpakt als Versicherung gegen russische Aggressionen und die deutsch-französische Dominanz. Polen etwa kämpfte bis zum Schluss dafür, dass die Bedeutung der Nato stärker hervorgehoben wird.

Einen Monat nach dem Angriff auf die Ukraine organisieren die westlichen Staaten auf höchster Ebene ihr weiteres Vorgehen gegen Russland. US-Präsident Joe Biden wollte dafür am Mittwoch nach Europa fliegen. EU-Ratspräsident Charles Michel hielt eine Niederlage des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei dessen Krieg gegen die Ukraine für essenziell für die künftige Sicherheit in Europa. Michel sagte am Mittwoch im US-Sender CNN, wahrscheinlich habe die russische Führung gedacht, dass die Europäische Union gespalten würde und dass Europa und die USA auseinanderdividiert würden. Das sei ein Fehler gewesen. Michel sagte weiter: »Das bedeutet, dass wir vor allem dafür sorgen müssen, dass Putin besiegt wird. Das muss das aktuelle Ziel sein. Das ist eine Frage der Sicherheit für die Zukunft Europas und für die Zukunft der Welt.«

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