Die CDU im permanenten Wahlkampfmodus

Natascha Strobl sieht ein klares Vorpreschen in Richtung eines radikalisierten Konservatismus bei der CDU

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit mein Buch »Radikalisierter Konservatismus« erschienen ist, begleitet mich eine Frage: Ist die CDU in Deutschland auch auf diesem Weg? Ich antworte abwägend, denn es ist noch nicht abzusehen. Man muss warten, bis sich der Staub der Niederlage gelegt hat, um zu sehen, wie tief die Verletzungen sind, und ob sie nach außen gekehrt werden. Just in Zeiten des Krieges gegen die Ukraine gibt es nun ein klares Vorpreschen in diese Richtung.

Friedrich Merz hat angekündigt, dass er nur so viele Unions-Abgeordnete zur Abstimmung über das 100 Milliarden Sonderbudget für die deutsche Bundeswehr zulassen möchte, wie gerade für die benötigte Zweidrittel-Mehrheit gebraucht werden. Das ist ein bemerkenswertes taktisches Manöver aus vielerlei Hinsicht.

Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Erstens ist diese Ansage ein Affront gegen das freie Mandat und den Parlamentarismus. Parlamentarier*innen zu einer Abstimmung nicht zulassen zu wollen oder sich einer Abstimmung massenhaft zu entziehen, ist nicht Sinn des Parlaments. Das mag naiv klingen, denn fraktionelles Abstimmen gehört dazu. Hier geht es aber gar nicht darum, dass man sich innerhalb einer Fraktion uneins ist und die eigene Fraktion nicht bloßstellen will, sondern den parlamentarischen Raum an sich absichtlich verkleinert.

Zweitens geht es hier auch nicht um Protest oder Uneinigkeit mit anderen Parteien. Die Koalitionsparteien und die Opposition sind sich sehr einig, dass dieser Antrag (auch ohne breite gesellschaftliche Debatte) beschlossen werden soll. Es geht also nicht um das »ob«, sondern um das »wie«.

Drittens geht es um eine versuchte Demütigung derer, mit denen man in der Sache eins ist. Es geht nicht um inhaltliche Auseinandersetzung, sondern um taktische Spielerei. Die Sache, ein riesengroßes Sonderbudget für die Streitkräfte, soll nicht möglichst breit abgesichert beschlossen werden, damit nichts schief gehen kann. Vielmehr soll es gerade so durchgehen. Und wenn es nicht durch geht, ist die Regierung oder jene Personen der Regierunsgfraktionen Schuld, die nicht zustimmen können oder wollen.

Es ist viertens ein wahlkampftaktisches Manöver. Die Angstlust, dass etwas schief geht bei einer Sache, die man eigentlich selbst klar befürwortet (aus Sicht der Union), ist da. Aber aus dem Schaden könnte man fast noch mehr Profit schlagen, als aus dem inhaltlichen Gewinn.

Einst in Ahlen - Wolfgang Hübner über den Neuanfang der CDU mit Friedrich Merz

Jedes noch so heikle Thema aus rein wahltaktischen Gesichtspunkten zu betrachten ist ein Kennzeichen des radikalisierten Konservatismus. Von den USA bis Österreich zeigen die entsprechenden Personen und Parteien, dass es keine Situation gibt, die so schlimm und ernst ist, dass man daraus keinen Wahlkampf machen könnte. Es gibt kein Überdrehen und kein Zuviel. Der staatstragende Konsens wird zu Gunsten einer Radikalisierung nach rechts (aber unter strengen PR-Gesichtspunkten) verlassen. Es gibt immer weniger gemeinsames Terrain. Dieses taktische Geplänkel ist ein Schritt in Richtung österreichische Verhältnisse.

Egal, ob Abschiebungen, Pandemie oder Angriffe auf das Justizsystem - alles wird zur Wahlkampfshow. Auch ein Krieg ist hier keine Ausnahme.

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